Entscheidungsstichwort (Thema)
Anderweitige Zuständigkeit durch rügelose Verhandlung. Rügelose Verhandlung und ausschließlicher Gerichtsstand. Prozessgericht im Sinne von § 893 Abs. 2 ZPO
Leitsatz (amtlich)
Prozessgericht im Sinne von § 893 Abs. 2 ZPO ist hinsichtlich der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit das Gericht, das den Herausgabetitel geschaffen hat.
Es handelt sich um einen ausschließlichen Gerichtsstand im Sinne von § 802 ZPO, so dass eine anderweitige Zuständigkeit auch nicht durch rügelose Verhandlung begründet wird (§ 40 Abs. 2 Satz 2 ZPO i. V. m. §§ 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO, 46 Abs. 2 ArbGG)
Normenkette
ZPO § 893 Abs. 2, § 40 Abs. 2 S. 2, §§ 802, § 12 ff.
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Aktenzeichen 2 Ca 222/14) |
Tenor
Das Arbeitsgericht Celle wird als zuständiges Gericht bestimmt.
Gründe
I.
Mit einer am 23.12.2013 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Klage begehrt die Klägerin von dem Beklagten im Zusammenhang mit einem früheren Beschäftigungsverhältnis die Zahlung von Schadensersatz. Soweit sie mit dem Klageantrag zu 1) die Zahlung von 2.039,17 € geltend macht, wird die Klage mit der Nichtherausgabe von Gegenständen begründet.
Durch Urteil des Arbeitsgericht Celle vom 23.03.2011 (2 Ca 310/10) wurde der Beklagte u. a. zur Herausgabe des mechanischen Notschlüssels für den von ihm früher genutzten Dienstwagen ( ) sowie verschiedener Kabel verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig. Ein Vollstreckungsversuch aus dem Urteil, mit dem die Herausgabe der Gegenstände erzwungen werden sollte, verlief am 21.05.2012 ergebnislos. Mangels Herausgabe macht die Klägerin nunmehr Wiederbeschaffungskosten für die Kabel in Höhe von 1.306,64 € sowie Kosten für den Austausch der Schließanlage an dem Dienstwagen in Höhe von 732,53 € geltend.
In der Güteverhandlung am 26.02.2014 wies der Vorsitzende darauf hin, dass hinsichtlich des Klageantrags zu 1) eine ausschließliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Celle gegeben sein dürfte. Der Beklagtenvertreter erklärte, er werde sich zur Klage rügelos einlassen.
Durch Verfügung vom 13.03.2014 hat das Arbeitsgericht Köln den Antrag zu 1) abgetrennt, die Parteien darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, das Verfahren an das Arbeitsgericht Celle zu verweisen und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Mit Beschluss vom 24.04.2014 hat es sich unter Bezugnahme auf §§ 893 Abs. 2, 802 ZPO für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das Arbeitsgericht Celle verwiesen.
Ohne Anhörung der Beteiligten hat sich auch das Arbeitsgericht Celle mit Beschluss vom 22.05.2014 für örtlich unzuständig erklärt und das Landesarbeitsgericht Köln zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts angerufen. Das Arbeitsgericht Celle ist der Auffassung, der Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts Köln sei nicht bindend, weil er offensichtlich rechtsfehlerhaft sei. Die Vorschriften, die von dem Arbeitsgericht Köln herangezogenen worden seien, regelten lediglich im Zwangsvollstreckungsrecht die Abgrenzung zwischen Vollstreckungsgericht und Prozessgericht, nicht jedoch die örtliche Zuständigkeit des Prozessgerichts. Insoweit seien §§ 12 ff. ZPO maßgeblich. Hinzu komme, dass sich der Vertreter des Beklagten rügelos eingelassen habe.
II.
Das Arbeitsgericht Celle ist zur Entscheidung des Verfahrens örtlich zuständig.
1. Die Voraussetzungen für die Durchführung des Bestimmungsverfahrens analog § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind erfüllt. Die Arbeitsgerichte Köln und Celle haben sich beide für unzuständig erklärt. Zuständig zur Bestimmung ist das Landesarbeitsgericht Köln (§ 36 Abs. 2 ZPO).
2. Die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Celle folgt aus der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Arbeitsgerichts Köln vom 24.04.2014. Gerichtliche Verweisungsbeschlüsse sind gemäß § 17 a) Abs. 2S. 3 GVG i. V. m. § 48 Abs. 1 Ziff. 1 ArbGG bindend. Die Bindungswirkung ist auch im Rahmen eines Bestimmungsverfahrens analog § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO maßgeblich (BAG v. 19.03.2003 - 5 AS 1/03 - BAGE 105, 305 ff. = NZA 2003, 683). Mangels gesetzlicher Ausnahmeregelung und unter Berücksichtigung der Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 GG) ist eine Abweichung von der Bindungswirkung im Wege richterlicher Rechtsfortbildung nur in engen Grenzen und nur zur Durchsetzung von Grundrechtspositionen, etwa bei der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) oder bei der Verletzung des Grundrechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1S. 2 GG) möglich (BVerfG v. 01.10.2009 - 1 BvR 1069/09 - bei [...]).
Ein Grundrechtsverstoß, der die Durchbrechung der gesetzlich angeordneten Bindungswirkung in § 17 a) Abs. 2 S. 3 GVG rechtfertigt, liegt im Streitfall nicht vor.
a) Ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör scheidet aus, denn das Arbeitsgericht Köln hat durch Schreiben vom 13.03.2014 den Parteien zu einer Verweisung an das Arbeitsgericht Celle rechtliches Gehör gewährt.
b) Es liegt auch kein Verstoß gegen das Grundrecht auf den gesetzlichen Richter vor, denn das Arbeitsgericht Celle ist der gesetzliche Richter.
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