Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterbrechung des Prozesskostenhilfebewilligungsverfahrens durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers
Leitsatz (amtlich)
Das Prozesskostenhilfeverfahren wird nicht nach § 240 ZPO durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens unterbrochen.
Im Rahmen eines Verbraucherinsolvenzverfahrens verbleibt dem Schuldner angesichts der allgemeinen Pfändungsfreigrenzen von seinem Einkommen ein Betrag, der von dem Insolvenzverfahren nicht erfasst wird. Insoweit kann eine Ratenzahlungsanordnung in Betracht kommen.
Normenkette
ZPO a.F. § 120 Abs. 4; ZPO §§ 120a, 240; InsO §§ 304 ff.
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Entscheidung vom 27.03.2015; Aktenzeichen 7 Ca 3698/12) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wirdBeschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom27.03.2015 (7 Ca 3698/12) aufgehoben und dieProzesskostenhilfe weiterhin ratenfrei gewährt.
Gründe
I.
Das als "Widerspruch" bezeichnete Schreiben der Klägerin vom 17.04.2015 ist als zulässige sofortige Beschwerde i. S. v. § 11 Abs. 1 RPflG i. V. m. §§ 127 Abs. 2 u. 3 ZPO, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, 11 a Abs. 1 ArbGG auszulegen. Die sofortige Beschwerde ist auch in der Sache begründet.
1. Über die sofortige Beschwerde der Klägerin war zu entscheiden, denn das Beschwerdeverfahren ist nicht gemäß § 240 ZPO unterbrochen. Zwar ist mit Beschluss des Amtsgerichts Aachen vom 04.08.2015 (92 IK 304/15) über das Vermögen der Klägerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Nach überwiegender Auffassung, der sich das Gericht anschließt, wirkt sich die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Prozesskostenhilfepartei indes nicht auf das Prozesskostenhilfeverfahren aus (BAG 03.08.2011 - 3 AZB 8/11 - NZA 2011, 1243; BGH 04.05.2006 - IX ZA 26/04 - NJW-RR 2006, 1208; OLG Rostock 28.11.2014 - 1 W 82/14 - MDR 2015, 297; KG 07.09.2007 - 17 W 10/07 - NJOZ 2008, 533; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl. 2014, vor § 239 Rn. 8 m. w. N.).
2. Das eröffnete Insolvenzverfahren steht auch einer in Betracht kommenden Ratenzahlungsanordnung nicht grundsätzlich entgegen. Denn die Vorschriften der Insolvenzordnung betreffen nicht die Befriedigung einzelner Insolvenzgläubiger aus dem insolvenzfreien Vermögen des Schuldners (BGH 14.01.2010 - IX ZR 93/09 - ZIP 2010, 380). Auch im Rahmen eines Insolvenzverfahrens verbleibt dem Schuldner angesichts der allgemeinen Pfändungsfreigrenzen von seinem Einkommen ein Betrag, der von dem Insolvenzverfahren nicht erfasst wird (LAG Schleswig-Holstein 23.09.2009 - 6 Ta 153/09 -; KG 07.09.2007 - 17 W 10/07 - NJOZ 2008, 533). So ist es auch hier. Die von der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See an die Klägerin gezahlte Erwerbsminderungsrente in Höhe von monatlich 1.223,39 EUR unterfällt mit Rücksicht auf die Unterhaltspflichten der Klägerin den Pfändungsfreigrenzen gemäß §§ 850 c Abs. 1 ZPO, 850 Abs. 2 ZPO.
3. Eine wesentliche Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin i. S. v. § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO - in der bisherigen Gesetzesfassung, die für das Verfahren gemäß § 40 EGZPO weiterhin maßgeblich ist -, die Anlass zu einer Ratenzahlungsanordnung geben könnte, liegt indes nicht vor. Die Berechnung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin ergibt kein einzusetzendes Vermögen i. S. v. § 115 Abs. 2 ZPO.
a) An Einkünften steht der Klägerin nur die Rentenzahlung in Höhe von 1.223,39 EUR monatlich zu. Entgegen der Berechnung des Arbeitsgerichts steht das Kindergeld nach der Neufassung des § 1612 b BGB dem Kind selbst zu und erhöht nicht die Einkünfte der Prozesskostenhilfepartei (LAG Köln, 15.06.2015 - 1 Ta 209/15 -).
b) Von den Einkünften sind der Unterhaltsfreibetrag für die Klägerin gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 a ZPO in Höhe von 462,00 EUR und gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 b ZPO derjenige für den Sohn T in Höhe von 165,00 EUR (349,00 EUR - 184,00 EUR Kindergeld) abzuziehen.
Für die Tochter C L ist kein weiterer Freibetrag abzugsfähig, denn gemäß § 115 Abs. 1 Satz 7 ZPO mindern sich die Unterhaltsfreibeträge nach Satz 3 Nr. 2 um eigenes Einkommen der unterhaltsberechtigten Personen. Insoweit sind das Kindergeld in Höhe von 184,00 EUR sowie die Unterhaltszahlung des Vaters in Höhe von 210,00 EUR monatlich anzurechnen.
c) Das Arbeitsgericht hat in dem angefochtenen Beschluss bei der Berechnung des einzusetzenden Einkommens darüber hinaus gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO an Kosten für Unterkunft und Heizung 500,00 EUR Mietkosten sowie 150,00 EUR Heizkosten als abzugsfähige Kosten berücksichtigt.
Für diese Zahlungen hat die Klägerin ungeachtet der gerichtlichen Aufforderungen aktuelle Zahlungsbelege zwar nicht vorlegen können. Im Hinblick auf das im Beschwerdeverfahren geltende Verschlechterungsverbot (reformatio in peius) bleiben die von dem Arbeitsgericht berücksichtigten Abzugsposten indes für die Berechnung weiterhin maßgeblich.
d) Die Einkünfte der Klägerin in Höhe von 1. 223,39 EUR abzüglich der Freibeträge und der Wohnungskosten ergeben kein freies, einsetzbares Einkommen. Mit...