Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung des Kindesunterhalts bei der Berechnung des einzusetzenden Einkommens im Rahmen der Prozesskostenhilfe
Leitsatz (amtlich)
1) Der Unterhaltsfreibetrag für Kinder gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 b ZPO steht - ohne Aufteilung - jedem Elternteil in vollem Umfang zu.
2) Der Freibetrag mindert sich gemäß § 115 Abs. 1 Satz 7 ZPO um das nach der Neufassung des § 1612 b BGB dem Kind selbst zustehende Kindergeld (im Anschluss an BVerfG 14.07.2011 - 1 BvR 932/10 -).
Normenkette
ZPO § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2b, S. 7; BGB § 1612b
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Entscheidung vom 14.04.2015; Aktenzeichen 5 Ca 1848/11) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 14.04.2015 (5 Ca 1848/11 d) aufgehoben.
Gründe
I.
Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG i. V. m. §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, 11 a Abs. 1 ArbGG zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Abänderung der zu leistenden Zahlungen gemäß § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO - in der bisherigen Gesetzesfassung, die für das Verfahren gemäß § 40 EGZPO weiterhin maßgeblich ist - liegen nicht vor.
Auf der Grundlage der von der Klägerin dargelegten wirtschaftlichen Verhältnisse ergibt sich auch derzeit kein einzusetzendes Einkommen gemäß § 115Abs. 2 ZPO und damit keine wesentliche Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse i.S.v. § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO (a.F.).
a) Bei der Berechnung des einzusetzenden Einkommens ist davon auszugehen, dass die Klägerin ausweislich des Bescheides der Bundesagentur für Arbeit vom 15.10.2014 derzeit Arbeitslosengeld gemäß § 136 SGB III in Höhe von monatlich 758,10 EUR erzielt.
b) Von den Einkünften ist der Unterhaltsfreibetrag gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 a ZPO i. H. v. 462,00 EUR abzuziehen.
c) Für das unterhaltsberechtigte Kind L K ist darüber hinaus gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 b ZPO ein weiterer Unterhaltsfreibetrag zu berücksichtigen. Dieser steht nach überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, der sich das Gericht anschließt, jedem Elternteil in vollem Umfang zu. Eine Aufteilung auf die Elternteile kommt nach der gesetzlichen Regelung, die ohne Differenzierung nur auf den Antragsteller abstellt, nicht in Betracht (ebenso LAG Hamm 06.03.2012 - 14 Ta 629/11 - [...]; OLG Hamm 20.02.2007 - 19 W 1/07 - MDR 2007, 973; Zöller/Geimer, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 115 Rn. 31; Kalthöner/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 7. Aufl. 2014, Rn. 271). Allerdings vermindert sich der Unterhaltsfreibetrag gemäß § 115 Abs. 1 Satz 7 ZPO um das dem Kind zustehende Kindergeld (LAG Berlin-Brandenburg 29.09.2014 - 3 Ta 1494/14 - NZA-RR 2015, 44; OLG Rostock 06.09.2012 - 10 WF 218/12 - FamRZ 2013, 648; Zöller/Geimer, ZPO, 30. Aufl., § 115 Rn. 19). Denn dieses ist aufgrund der Neufassung des § 1612 b BGB sowohl nach dem Gesetzeswortlaut als auch nach dem Willen des Gesetzgebers dem Einkommen des Kindes zugewiesen (BVerfG 14.07.2011 - 1 BvR 932/10 - NJW 2011, 3215, Rn 37). Der Freibetrag für das Kind in Höhe von 268,00 EUR ist danach um das Kindergeld in Höhe von 184,00 EUR zu reduzieren, so dass ein Abzugsbetrag in Höhe von 84,00 EUR verbleibt.
d) Vom Einkommen der Klägerin sind darüber hinaus anteilige Kosten für Miete und Heizung in Höhe von 320,00 EUR gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO abzuziehen.
Grundsätzlich sind Wohnkosten von beiden Ehegatten entsprechend ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit zu tragen. Dabei ist auf das Verhältnis der - ohne weitere Abzüge - gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 b - 4 ZPO zur Verfügung stehenden Nettoeinkünfte abzustellen (LAG Hamm 06.03.2012 - 14 Ta 629/11 - [...]; LAG Düsseldorf 23.03.2010 - 3 Ta 163/10 - ). Bei einem Durchschnittseinkommen ihres Ehegatten von rund 2.000,00 EUR netto würde der von der Klägerin auf der Grundlage des Einkommens in Höhe von 758,10 EUR zu tragende Anteil rund 27,05 % betragen. Im vorliegenden Fall hat der Ehemann der Klägerin allerdings unter dem 16.05.2012 bestätigt, dass er von seiner Ehefrau den hälftigen Betrag der Miete erhält. Dieser Umstand wurde vom Arbeitsgericht bei der ursprünglichen Bewilligung der Prozesskostenhilfe auch zugunsten der Klägerin zugrunde gelegt. Es sind vor diesem Hintergrund, ausgehend von den Gesamtkosten für Miete und Heizung in Höhe von 640,00 EUR, als weitere Belastung 320,00 EUR abzuziehen.
e) Bei monatlichen Einnahmen in Höhe von 758,10 EUR, abzüglich des Unterhaltsfreibetrages in Höhe von 462,00 EUR, des Freibetrages für das Kind in Höhe von 84,00 EUR und des Anteils für Unterkunft und Heizung in Höhe von 320,00 EUR verbleibt kein einzusetzendes Einkommen.
II.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Fundstellen