Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozeßkostenhilfe. Aufhebung. Sanktion

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Aufhebung der Prozeßkostenhilfebewilligung nach § 124 Nr. 2, 2. Alternative ZPO setzt voraus, daß die Partei überhaupt keine Erklärung gemäß § 120 Abs. IV ZPO abgegeben hat. Die Partei kann daher die Erklärung im Beschwerdeverfahren auch dann noch nachholen, wenn sie diese Erklärung gegenüber dem Arbeitsgericht aus grober Nachlässigkeit oder absichtlich versäumt hat.

 

Normenkette

ZPO § 124 S. 2, § 120 Abs. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Beschluss vom 27.06.1995; Aktenzeichen 6 Ca 1244/93)

 

Tenor

Auf die als Beschwerde anzusehende Erinnerung des Klägers vom 27.06.1995 wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Aachen – 6 Ca 1244/93 – aufgehoben.

 

Tatbestand

I. Das Arbeitsgericht hat dem Kläger mit … Beschluß vom 30.11.1993 ratenfrei Prozeßkostenhilfe bewilligt, nachdem der Kläger in erster Instanz einen Sozialhilfebescheid vom 15.10.1993 vorgelegt hat. Mit Schreiben des. Gerichts vom 17.01.1995 wurde der Kläger aufgefordert, sich über eine Veränderung seiner persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemäß § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO zu erklären. Mit Schreiben vom 21.03.1995, zugestellt am 25.03.1995, sowie vom 04.05.1995 wurde der Kläger an die Erledigung dieses Schreibens erinnert, wobei ihm zur Beantwortung jeweils eine Frist von 2 Wochen gesetzt wurde. In dem letzten Erinnerungsschreiben vom 04.05.1995 wird der Kläger zusätzlich darauf hingewiesen, daß bei Nichteinhaltung der Frist davon auszugehen sei, daß er die Erklärung absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit nicht abgegeben habe, was zur Aufhebung der Prozeßkostenhilfe berechtige. Nachdem der Kläger auf diese Schreiben nicht reagiert hat, hat das Gericht mit dem angefochtenen Beschluß den PKH-bewilligenden Beschluß vom 30.11.1993 aufgehoben, in dem Aufhebungsbeschluß wird der Kläger ferner auf seine Erstattungspflicht hinsichtlich der gesamten Prozeßkosten in Höhe von 240,58 DM hingewiesen.

Gegen den Aufhebungsbeschluß hat der Kläger unter dem 27.06.1995 Erinnerung mit der Begründung eingelegt, der Kläger habe mittlerweile die vom Arbeitsgericht geforderte Auskunft über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erteilt. In diesem Zusammenhang hat der Kläger Sozialhilfebescheid der Stadt Aachen vom 20.03.1995 vorgelegt, wonach dem Kläger ab April 1995 Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz in der Höhe des Regelsatzes als Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt werden.

Das Arbeitsgericht hat der Erinnerung nicht abgeholfen und sie dem LAG zur Entscheidung vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II. Die zulässige, als Beschwerde anzusehende Erinnerung ist begründet.

Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Prozeßkostenhilfebewilligung gemäß § 124 Ziffer 2, 2. Halbsatz ZPO sind nach Auffassung der Beschwerdekammer im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Beschwerdekammer folgt dabei der überwiegenden, in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassung, wonach im Rahmen der Aufhebungsentscheidung nach § 124 Ziffer 2, 2. Alternative ZPO auch die nachträglich vorgelegte Erklärung der hilfsbedürftigen Partei zu berücksichtigen ist. Dies folgt zum einen aus dem Wortlaut der Bestimmung, darüber hinaus aber auch aus dem Gesetzeszusammenhang. Nach dem Wortlaut des § 124 Abs. 2 Satz 2, Halbsatz 2 kann die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe nur aufgehoben werden, wenn die Partei „eine Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 nicht abgegeben hat”. Hiernach führt nur die Nichtabgabe, nicht aber die (bloß) verspätete Abgabe der Erklärung zur Aufhebung der Bewilligung (so insbesondere: OLG München, FRZ 1993, S. 580; ferner LAG Nürnberg, Beschluß vom 02.06.1995 – 2 Sa 571/92.= JurBüro 1995, S. 535 mit ausführlicher Darstellung des Streitstandes). Dies entspricht auch der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum (vgl. insoweit LAG Düsseldorf, LAGE § 120 ZPO Nrn. 15, 18; LAG Köln, Beschluß der 7. Kammer vom 07.11.1990 – 7 Ta 197/90 = LAGE § 120 ZPO Nr. 20; OLG Düsseldorf, JurBüro 1991, S. 980; OLG Frankfurt MDR 1992, S. 293; ferner Thomas-Putzo, ZPO, 19. Auflage, § 124 Rz. 3; Zöller-Philippi, ZPO, 19. Auflage, § 124 Rz. 10 a; Stein-Jonas-Bork, ZPO, 21. Auflage, § 124 Rz. 16; MK-Wax, § 124 ZPO Rz. 11; Zimmermann, JürBüro 1993, S. 646 f.).

Der in der Rechtsprechung vertretenen Gegenauffassung, wonach die Nachholung der Erklärung allein – ohne entsprechende Entschuldigung durch die Partei für die Verspätung – nicht zu einer Änderung der Aufhebungsentscheidung führt (so u.a. der Beschluß der 8. Kammer des LAG Köln vom 20.06.1991 – 8 Ta 92/91 = LAGE § 124 ZPO Nr. 6; ferner OLG Köln, JurBüro 1988, S. 649; OLG Bamberg, JurBüro 1992, S. 623) folgt das erkennende Gericht nicht. Zwar ist einzuräumen, daß die durch das Kostenrechtsänderungsgesetz vom 09.12.1986 eingeführte, hier umstrittene weitere Alternative einer Aufhebungsmöglichkeit nach § 124 Z. 2 ZPO bei Verletzung der – gleichzeitig eingeführten – Erklärungspflicht nach § 120 Abs. 4 (vgl. BGBl. 1986 I, S. 23, 26) vom Gesetzgeb...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge