Entscheidungsstichwort (Thema)

Feststellung

 

Leitsatz (amtlich)

Nachträgliche Aufhebung der Prozeßkostenhilfe-Bewilligung bei unterlassener Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO

Ist einer Partei, die trotz Fristsetzung durch das Gericht die Abgabe einer Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO unterlassen hat, die Prozeßkostenhilfe nach § 124 Ziffer 2 ZPO entzogen worden, so kann sie diese Erklärung im Erinnerungs- bzw. Beschwerdeverfahren nachholen, auch wenn die frühere Unterlassung auf grober Nachlässigkeit beruhte.

 

Normenkette

ZPO § 120 Abs. 4 S. 2, § 124 Ziff. 2

 

Verfahrensgang

LAG Nürnberg (Beschluss vom 30.03.1995; Aktenzeichen 2 Sa 571/92)

 

Tenor

Der Beschluß des Rechtspflegers des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 30.03.1995 – 2 Sa 571/92 – wird aufgehoben.

 

Tatbestand

I.

Der Rechtspfleger des Landesarbeitsgerichts hat mit Beschluß vom 30.03.1995 die der Klägerin mit Beschluß vom 30.12.1992 bewilligte Prozeßkostenhilfe aufgehoben, weil die Klägerin trotz Verlangens des Gerichts keine Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO abgegeben hat.

Gegen diesen ihr am 01.04.1995 zugestellten Beschluß hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 06.04.1995, der am 10.04.1995 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist, Erinnerung eingelegt und mit einem am 04.05.1995 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz die Erklärung nach § 120 Abs. 4 ZPO nebst Anlagen vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 RPflG zulässige und in der für die sofortige Beschwerde geltenden Frist (§ 11 Abs. 1 Satz 2 RPflG i.V.m. § 70 Satz 1 ArbGG) eingelegte Erinnerung hat in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

Nach der durch das Kostenänderungsgesetz vom 09.12.1989 (BGBl. I Seite 2326) den Katalog des § 124 ZPO um eine zusätzliche Variante erweiternden Bestimmung des § 124 Ziff. 2 ZPO kann das Gericht die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe u. a. dann aufheben, wenn die Partei trotz gerichtlicher Aufforderung keine Erklärung über eine nachträgliche Veränderung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgegeben hat (§ 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO). Diese Voraussetzungen lagen im Zeitpunkt der Entscheidung des Rechtspflegers vor, denn das Gericht hatte die Klägerin unter zweimaliger Fristsetzung zur Abgabe der Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO aufgefordert, ohne daß diese darauf reagiert hat.

In Rechtsprechung und Schrifttum ist jedoch streitig, ob die unterlassene Mitwirkung der Partei an der Klärung ihrer weiteren Hilfsbedürftigkeit auch dann zu einer rückwirkenden, vollständigen und dauerhaften Streichung der Prozeßkostenhilfe führen darf, wenn sie spätestens im Erinnerungs- bzw. Beschwerdeverfahren nachweist, daß sie objektiv nach wie vor außerstande ist, die Prozeßkosten aus eigenen Mitteln ganz, zum Teil oder in Raten aufzubringen.

Zu dieser Frage wird von einem Teil der Rechtsprechung die Ansicht vertreten, daß die Vorschrift des § 124 Ziff. 2 ZPO Sanktionscharakter habe, so daß die einmal getroffene Aufhebungsentscheidung des Rechtspflegers auch dann Bestand haben müsse, wenn die Partei im Rahmen eines Rechtsbehelfs ihre fortbestehende Hilfsbedürftigkeit nachweise (OLG Köln, JurBüro 1988, 649; OLG Hamm, RPfl. 1986, 238; OLG Bamberg, JurBüro 1992, 623). Das gilt nach Auffassung des LAG Köln jedenfalls dann, wenn die hilfsbedürftige Partei im Rahmen des § 570 ZPO lediglich die Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO nachreicht und nicht zusätzliche Gründe vorträgt und nachweist, die eine absichtliche oder grobe Nachlässigkeit bei der Verletzung ihrer Mitwirkungspflicht ausschließen können (Beschluß vom 20.06.1991 – 8 Ta 92/91 – LAGE § 124 ZPO Nr. 6). Demgegenüber steht die wohl überwiegende Meinung in der Rechtsprechung und die Kommentarliteratur auf dem Standpunkt, daß die durch § 124 ZPO dem Gericht eingeräumte Möglichkeit der Aufhebung des Bewilligungsbeschlusses lediglich die Korrektur eines zu Unrecht ergangenen oder nicht mehr den gesetzlichen Voraussetzungen entsprechenden Bewilligungsbeschlusses ermöglichen, nicht aber die zwar nachlässige, aber immer noch hilfsbedürftige Partei derart bestrafen will, daß ihr der Nachweis der weiterbestehenden Hilfsbedürftigkeit versagt wird (LAG Düsseldorf, Beschlüsse vom 28.07.1988 – 14 Ta 155/88 – und 08.06.1989 – 14 Ta 126/89 – LAGE § 120 ZPO Nr. 15 und 18; LAG Köln, Beschluß vom 07.11.1990 – 7 Ta 197/90 – LAGE § 120 ZPO Nr. 20; LAG Nürnberg, Beschlüsse vom 20.07.1994 – 6 Sa 262/92 – und 25.05.1992 – 2 Ta 54/92; OLG Düsseldorf, JurBüro 1991, 980; OLG Frankfurt, MDR 1992, 293; Thomas/Putzo, ZPO, 19. Aufl., § 124 Rz. 3; Zöller/Philippi, ZPO, 18. Aufl., § 124 Rz. 10 c; MünchKommZPO-Wax § 124 Rz. 11; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 21. Aufl., § 124 Rz. 16; Zimmermann, JurBüro 1993, 646 f.).

Der zuletzt dargestellten Auffassung schließt sich auch das erkennende Gericht an. Für diese Ansicht spricht, daß die Nachholung der Mitwirkungspflicht im Erinnerungs- bzw. Beschwerdeverfahren als zulässiges neues Vorbringen im Sinne des § 570 ZPO zu werten ist und ...

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