Entscheidungsstichwort (Thema)
Beiordnung eines Rechtsanwalts. keine Erforderlichkeit in einfach gelagerten Fällen der Geltendmachung von Lohnforderungen. Hinweispflicht des Rechtsanwalts
Leitsatz (amtlich)
1.) Voraussetzung für die Erforderlichkeit einer Beiordnung eines Rechtsanwalts i. S. v. § 121 Abs. 2, 1. Alt. ZPO ist, dass ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt beauftragt hätte.
2.) Bei einfach gelagerten Fällen der Geltendmachung von Lohnforderungen wird eine bemittelte Person in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten wegen der besonderen Kostenregelung des § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG regelmäßig auf die Zuziehung eines Rechtsanwalts verzichten, um sich nicht um den wirtschaftlichen Ertrag des gerichtlichen Vorgehens zu bringen.
3.) Besondere persönliche Umstände können zur Herstellung prozessualer Waffengleichheit eine Beiordnung erforderlich machen (Anschluss an BVerfG v. 24.03.2011 – 1 BvR 1737/10 –).
4.) In Fällen vorgerichtlicher anwaltlicher Mandatierung ist ein anwaltlicher Hinweis auf das Kostenrisiko gem. § 12 a Abs. 1 ArbGG und auf die Anforderungen an die Erforderlichkeit einer Beiordnung in Hinblick auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Rechtsantragsstelle notwendig.
Normenkette
ZPO § 121 Abs. 2; ZPO 1. Alt.; ArbGG § 11a Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Köln (Beschluss vom 14.11.2011; Aktenzeichen 2 Ca 6206/11) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 14.11.2011 (2 Ca 6206/11) wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Der Kläger begehrt die Gewährung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwalts für eine am 15.08.2011 bei Gericht eingegangene Klage, mit der er Lohnzahlungsansprüche in Höhe von 3.918,66 EUR netto, die Herausgabe der Lohnsteuerkarte 2010 sowie die Erteilung einer Arbeitsbescheinigung und eines Zeugnisses geltend gemacht hat. In der Gütesitzung bei dem Arbeitsgericht Köln am 16.09.2011 erging antragsgemäß Versäumnisurteil, das rechtskräftig geworden ist.
Das Arbeitsgericht bewilligte dem Kläger für diese Klage mit Beschluss vom 14.11.2011 Prozesskostenhilfe mit einer monatlichen Ratenzahlung in Höhe von 135,00 EUR und wies den Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts mit der Begründung zurück, eine Rechtsanwaltsbeiordnung sei nicht erforderlich. Im Hinblick auf den einfach gelagerten Sachverhalt und mit Rücksicht auf die Kostentragungspflicht (§ 12 a ArbGG) hätte auch eine bemittelte Partei keinen Rechtsanwalt mit der Interessenwahrnehmung beauftragt. Dem Kläger sei jedenfalls zumutbar gewesen, vor Beauftragung eines Rechtsanwalts den Verlauf des Gütetermins abzuwarten, um zu klären, ob anwaltlicher Beistand in Anspruch genommen werden muss.
Gegen den am 17.11.2011 zugestellten Beschluss hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 18.11.2011, der am 21.11.2011 bei Gericht einging, sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung wird geltend gemacht, bereits seit Mai 2011 habe ein außergerichtliches Mandatsverhältnis bestanden. Durch anwaltliche Bemühungen sei erreicht worden, dass die Beklagte Lohnabrechnungen übersandt und den Kläger ordnungsgemäß bei der Krankenkasse angemeldet habe. Als Berufskraftfahrer sei der Kläger nicht in der Lage gewesen, die Angelegenheit mit der Beklagten selbst zu regeln, zumal der Geschäftsführer der Beklagten in der Korrespondenz mehrfach auf seine Hausanwältin verwiesen habe. Einen besonderen Hinweis, eine Rechtsantragsstelle aufzusuchen, habe der Kläger nicht erhalten.
Das Arbeitsgericht Köln hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 29.11.2011 nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 127 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO, 569 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 11 a Abs. 3 ArbGG zulässig. Soweit in der sofortigen Beschwerde des Prozessbevollmächtigten vom 18.11.2011 nicht klar zum Ausdruck kommt, dass sie im Namen des Klägers eingelegt wird, ergibt sich dies aus den Umständen und der Interessenlage.
In der Sache hat die sofortige Beschwerde indes keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zu Recht eine Beiordnung abgelehnt. Im Hinblick darauf, dass in dem arbeitsgerichtlichen Verfahren die Beklagtenseite nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war, kommt eine Beiordnung nur unter der Voraussetzung in Betracht, dass die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich war (§ 121 Abs. 2, 1. Alt. ZPO i. V. m. § 11 a Abs. 3 ArbGG). Ein Erfordernis anwaltlicher Vertretung bestand für die von dem Kläger erhobene Klage indes nicht.
1. Vor dem Hintergrund der Auslegung, den die Vorschrift des § 121 Abs. 2 ZPO durch die höchstrichterliche Rechtsprechung erfahren hat (BVerfG v. 24.03.2011 – 1 BvR 1737/10 – NJW 2011, 2039; BVerfG v. 06.05.2009 – 1 BvR 439/08 – bei juris; BAG v. 18.05.2010 – 3 AZB 9/10 – NJW 2010, 2748) und der sich das erkennende Gericht anschließt, ist die Beiordnung eines Rechtsanwalts dann erforderlich, wenn ein Bemi...