Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe
Leitsatz (amtlich)
1.) Die rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach Beendigung des Hauptsacheverfahrens setzt voraus, dass der Antrag zum Zeitpunkt der Erledigung des Hauptsacheverfahrens entscheidungsreif war, der Antragsteller alles für die Bewilligung getan hatte und das Gericht Prozesskostenhilfe hätte bewilligen müssen (im Anschluss an BVerfG v. 14.04.2010 1 BvR 362/10 -; BAG v. 16.02.2012 - 3 AZB 34/11 - NJW 2012, 2828).
2.) Gewährt das Gericht gleichwohl eine Frist zur Nachreichung von Unterlagen, führt eine Fristversäumung zum Verlust des Anspruchs auf Prozesskostenhilfe.
Normenkette
ZPO § 114 S. 1; ArbGG § 11 a Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Entscheidung vom 05.06.2012; Aktenzeichen 6 Ca 4602/11) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 05.06.2012 (6 Ca 4602/11) wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die gemäß §§ 127 Abs. 2 Satz 2 u. 3 ZPO, 569 ZPO, 11 a Abs. 3 ArbGG zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zutreffend abgelehnt.
1. Prozesskostenhilfe kann regelmäßig nur für eine beabsichtigte Rechtsverfolgung bewilligt werden (§ 114 Satz 1 ZPO i. V. m. § 11 a Abs. 3 ArbGG). Die Begrenzung rechtfertigt sich daraus, dass einer mittellosen Partei Prozesshandlungen ermöglicht werden sollen. Werden diese schon vorgenommen, so dass Kosten bereits entstanden sind, würde eine nachträgliche Bewilligung nur noch den Zweck verfolgen, einem Prozessbevollmächtigten einen Zahlungsanspruch gegen die Staatskasse zu verschaffen, was nicht Aufgabe der Prozesskostenhilfe ist (BAG v. 16.02.2012 - 3 AZB 34/11 - NJW 2012, 2828 Rn. 14). Im vorliegenden Fall war das Hauptsacheverfahren mit dem Vergleichsschluss am Ende der Verhandlung am 12.4.2012 vor PKH-Bewilligung bereits beendet.
2. Von diesem Grundsatz sind unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen zulässig. Die rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein beendetes Hauptsacheverfahren stellt aber immer einen Ausnahmefall dar, der voraussetzt, dass der Antrag zum Zeitpunkt der Erledigung des Hauptsacheverfahrens entscheidungsreif war und das Gericht vor Verfahrensbeendigung Prozesskostenhilfe hätte bewilligen müssen (BVerfG v. 14.04.2010 - 1 BvR 362/10 - [...]). Hierfür ist erforderlich, dass der Antragsteller durch einen formgerechten Antrag von seiner Seite aus alles für die Bewilligung Erforderliche oder Zumutbare getan hat (BAG v. 16.02.2012 - 3 AZB 34/11; NJW 2012, 2828; BGH v. 08.10.1991 - XI ZR 174/90 - NJW 1992, 839; OVG Münster 09.03.2012 - 18 E 1326/11 - [...]; LAG Köln v. 01.10.2012 - 1 Ta 212/12-). Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, gewährt das Gericht allerdings eine Frist zur Vervollständigung und Nachreichung fehlender Unterlagen, und werden diese Unterlagen innerhalb der Frist eingereicht, kann ausnahmsweise auch nach Beendigung der Instanz Prozesskostenhilfe bewilligt werden (BAG v. 03.12.2003 - 2 AZB 19/03 - MDR 2004, 415; LAG Köln vom 06.05.2010 - 11 Ta 114/10 -; LAG Köln v. 21.09.2009 - 2 Ta 405/09; LAG Köln v. 01.10.2012 - 1 Ta 212/12-). Eine Fristversäumung führt allerdings zum Verlust des Anspruchs auf Prozesskostenhilfebewilligung (LAG Köln v. 13.03.2009 - 4 Ta 76/09 - LAGE § 118 ZPO 2002 Nr. 2).
3. Unter Zugrundelegung dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung konnte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht mehr erfolgen. Mit Schreiben vom 26.03.2012, das am 29.03.2012 zugestellt wurde, hat das Arbeitsgericht Aachen unter Beachtung des Formerfordernisses gemäß § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO eine Vervollständigung des Formulars über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie eine Reihe von Unterlagen angefordert und hierfür eine Frist von einem Monat ab Zugang des Schreibens gesetzt. Darüber hinaus hat das Gericht in der mündlichen Verhandlung am 12.04.2012 nach vergleichsweiser Beendigung des Hauptsacheverfahrens dem Kläger durch Beschluss aufgegeben, zusätzlich zu den am 26.03.2012 angeforderten Unterlagen auch eine aktuelle Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers zur Akte einzureichen. Hierfür wurde eine Frist von einem Monat ab Zugang des Protokolls gesetzt. Auf entsprechenden Antrag mit Fax vom 30.04.2012, die Frist bis zum 07.05.2012 zu verlängern, hat das Arbeitsgericht Aachen stillschweigend Fristverlängerung gewährt. Die angeforderten Unterlagen und Belege sind indes nicht zur Akte gereicht worden.
4. Soweit nunmehr erst mit der sofortigen Beschwerde mit Schriftsatz vom 25.06.2012 eine aktuelle Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie Unterlagen und Belege vorgelegt werden, kann dies das Fristversäumnis nicht heilen, denn die gerichtlich gesetzten Fristen waren einzuhalten (BAG v. 03.12.2003 - 2 AZB 19/03 - MDR 2004, 415).
II.
Gegen diesen Beschluss ist mangels Zulassung der Rechtsbeschwerde für die kein Anlass besteht, ein weiter...