Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit der Entscheidung über einen rechtzeitig eingereichten Prozesskostenhilfeantrag nach Abschluss der Instanz

 

Leitsatz (amtlich)

Über einen rechtzeitig eingereichten Prozesskostenhilfeantrag kann noch nach Abschluss der Instanz bzw. des Verfahrens ausnahmsweise positiv entschieden werden, wenn das Gericht einen rechtlich gebotenen Hinweis mit Fristsetzung unterlassen hat und die fehlenden Unterlagen und Belege nachgereicht werden (LAG Köln, Beschluss vom 19.06.2015 - 5 Ta 149/15 - m. w. N.).

 

Normenkette

ZPO § § 114 ff., § 139

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Entscheidung vom 01.06.2015; Aktenzeichen 3 Ca 4751/14 h)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 01.06.2015 - 3 Ca 4751/14 h - teilweise abgeändert.

Der Klägerin wird unter Zurückweisung im Übrigen für die erste Instanz ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt H , W 90, He , bewilligt, soweit sie den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum 19.12.2014 geltend gemacht hat.

 

Gründe

Die nach den §§ 127 Abs. 2, 567 ZPO statthafte sowie gemäß § 569 ZPO form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist teilweise begründet.

1. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts war der bereits mit der Klageschrift gestellte Prozesskostenhilfeantrag nicht mit der Begründung zurückzuweisen, die Klägerin habe trotz Hinweises in der letzten mündlichen Verhandlungen am 28.04.2015 keinerlei Unterlagen beigebracht, die zur PKH-Bewilligung zwingend erforderlich seien. Das Arbeitsgericht hat es pflichtwidrig unterlassen, der Klägerin eine angemessene Nachfrist (§ 139 Abs. 5 ZPO) zu setzen. Stattdessen hat es nach seinem Hinweis zunächst überhaupt nicht reagiert, keine Auflagen erteilt und sodann ohne Vorankündigung mit der angefochtenen Entscheidung die beantragte Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Diese Vorgehensweise lässt sich mit der aus § 139 ZPO gebotenen Hinweispflicht nicht in Einklang bringen. Bei der Bestimmung der Reichweite der Hinweispflicht des Gerichts sind die aus Art. 3 Abs. 1 undArt. 20 Abs. 3 GG folgenden verfassungsrechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet das Grundgesetz eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Das Gebot der Rechtsschutzgleichheit von Bemittelten und Unbemittelten erfordert bei Ablehnung eines Prozesskostenhilfeantrags, dass hinsichtlich richterlicher Hinweispflichten ein ebenso strenger Maßstab anzulegen ist wie in einem Hauptsacheverfahren. Über einen rechtzeitig eingereichten Prozesskostenhilfeantrag kann noch nach Abschluss der Instanz bzw. des Verfahrens ausnahmsweise positiv entschieden werden, wenn das Gericht einen rechtlich gebotenen Hinweis mit Fristsetzung unterlassen hat und die fehlenden Unterlagen und Belege nachgereicht werden (vgl. im Einzelnen: LAG Köln, Beschl. v. 19.06.2015 - 5 Ta 149/15 - m.w.N.).

2. Die Kündigungsschutzklage hat hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten, soweit die Klägerin den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum 18.12.2014 geltend gemacht hat, im Übrigen bestand keine Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 Satz 1 ZPO.

a) Hinsichtlich der mit Schreiben vom 03.12.2014 ausgesprochenen fristlosen Kündigung war das Vorliegen eines wichtigen Grundes wegen "unsachgemäßen dominanten und freundlichen Auftretens" im Sinne des § 626 BGB zweifelhaft.

Bezüglich der mit dem Schreiben vom 03.12.2014 ausgesprochenen hilfsweise fristgerechten Kündigung gilt Folgendes:

Das Arbeitsverhältnis bestand seit dem 01.10.2014. Es war eine sechsmonatige Probezeit mit zweiwöchiger Kündigungsfrist vereinbart, § 3 Ziffer 1. des Anstellungsvertrages vom 24.09.2014, § 622 Abs. 3 BGB. Die Kündigung vom 03.12.2014 war der Klägerin am 05.12.2014 zugegangen, so dass anders als im Kündigungsschreiben mitgeteilt, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht dem 17.12.2014, sondern mit dem 19.12.2014 eintrat.

b) Soweit die Klägerin Kündigungsschutz über diesen Zeitpunkt hinaus begehrt hat, konnte mangels Erfolgsaussicht keine Prozesskostenhilfebewilligung erfolgen. Es sind keinerlei potentielle Unwirksamkeitsgründe für die ausgesprochene Kündigung erkennbar. Das Arbeitsverhältnis unterlag insbesondere nicht den Schutzbestimmungen des KSchG. Die Wahl des unzutreffenden Kündigungszeitpunkts führt jedenfalls nicht wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot zur Unwirksamkeit der Kündigungserklärung, denn aus dem Kündigungsschreiben war hinreichend für die Klägerin zu erkennen, dass die Beklagte die Kündigung hilfsweise fristgerecht erklären wollte (vgl. hierzu z.B.: BAG, Urt. v. 15.05.2013 - 5 AZR 130/12 - m.w.N.). Die Klägerin konnte mit einem einfachen Rechenschritt selbst die zweiwöchige Kündigungsfrist in der Probezeit berechnen.

3. Aufgrund der im Beschwerdeverfahren nachgereichten Unterlagen steht fest, dass die Klägerin aufgrund ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältn...

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