Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach Abschluss der Instanz
Leitsatz (amtlich)
1. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach Ende der Instanz ist grundsätzlich ausgeschlossen. Ausnahmsweise ist Prozesskostenhilfe nach Ende der Instanz zu bewilligen, wenn das Gericht einen nach § 139 ZPO rechtlich gebotenen Hinweis unterlassen hat.
2. Das Gericht ist nach § 139 ZPO zu einem Hinweis vor Feststellung eines Vergleichsabschlusses nach § 278 Abs. 6 ZPO verpflichtet, wenn der Klageschrift keine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beigefügt war und angekündigt wurde, die Erklärung werde nachgereicht.
Normenkette
ZPO §§ 139, 114, 117-118
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Entscheidung vom 09.03.2015; Aktenzeichen 7 Ca 282/15) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Prozesskostenhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 9. März 2015 - 7 Ca 282/15 - aufgehoben:
Dem Kläger wird ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt G bewilligt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe für ein Kündigungsschutzverfahren.
Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 20. Januar 2014 als Schlosser beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig 40 Arbeitnehmer. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 12. Januar 2015 zum 15. Februar 2015. Hiergegen hat sich die vom Klägervertreter am22. Januar 2015 beim Arbeitsgericht Aachen eingereichte Kündigungsschutzklage gerichtet. In der Klageschrift ist ausgeführt, dass Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt G beantragt und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisses nachgereicht werde.
Das Arbeitsgericht hat Gütetermin bestimmt auf den 23. Februar 2015. Mit Schriftsatz vom 10. Februar 2015 hat der Klägervertreter um Aufhebung des Gütetermins gebeten und "um Protokollierung" eines Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO sowie um Streitwertfestsetzung gebeten. Einen Hinweis auf den Prozesskostenhilfeantrag hat der Schriftsatz nicht enthalten.
Das Arbeitsgericht hat der Beklagten am 17. Februar 2015 aufgegeben, binnen Wochenfrist mitzuteilen, ob dem Vergleichsvorschlag zugestimmt wird. Es hat einen Hinweis zur Streitwertfestsetzung, nicht aber zum Prozesskostenhilfeantrag, erteilt. Nach Zustimmung durch die Beklagte hat das Arbeitsgericht am 23. Februar 2015 das Zustandekommen eines gerichtlichen Vergleichs festgestellt. Gleichzeitig hat es beim Klägervertreter angefragt, ob der Prozesskostenhilfeantrag zurückgenommen werde. Das Verfahren sei beendet und eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse liege nicht vor.
Mit Schriftsatz vom 2. März 2015 hat der Klägervertreter um die Setzung einer Frist zur Einreichung der fehlenden Unterlagen gebeten. Das Arbeitsgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag mit Beschluss vom 9. März 2015 zurückgewiesen. Am 10. März 2015 hat der Kläger eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beim Arbeitsgericht eingereicht. Er hat am 13. März 2015 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Beschwerde eingelegt, welcher das Arbeitsgericht nicht abgeholfen und dem Beschwerdegericht vorgelegt hat.
II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Dem Kläger war ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt G zu bewilligen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten hat und der Kläger nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann (§ 114Abs. 1 Satz 1 ZPO). Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts ist seine nachgereichte Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu berücksichtigen.
1. Nach § 114 Satz 1 ZPO kann Prozesskostenhilfe lediglich für eine "beabsichtigte" Rechtsverfolgung gewährt werden. Eine Rückwirkung der Bewilligung ist grundsätzlich ausgeschlossen. Jedoch kann die Rückwirkung bis zu dem Zeitpunkt erstreckt werden, in dem der Antragsteller durch einen formgerechten Bewilligungsantrag von seiner Seite aus alles für die Bewilligung Erforderliche oder Zumutbare getan hat. Soweit die Voraussetzungen einer rückwirkenden Bewilligung vorliegen, sind aus der Staatskasse Tätigkeiten des beigeordneten Rechtsanwalts zu vergüten, die dieser auf die Hauptsache bezogen bei oder nach dem Eingang des Prozesskostenhilfeantrags erbracht hat. Nach Abschluss der Instanz ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht mehr möglich (BAG 5. Dezember 2012 - 3 AZB 40/12 - n.v.; 16. Februar 2012 - 3 AZB 34/11 - EzA § 114 ZPO 2002 Nr. 3; 3. Dezember 2003 - 2 AZB 19/03 - MDR 2004, 415).
Diese Begrenzung der Rückwirkung folgt aus dem Zweck der Prozesskostenhilfe. Der mittellosen Partei sollen die Prozesshandlungen ermöglicht werden, die für sie mit Kosten verbunden sind. Haben jedoch die Partei bzw. deren Prozessbevollmächtigter die aus ihrer Sicht notwendigen Prozesshandlungen schon vor der ordnungsgemäßen Beantragung der Prozesskostenhilfe...