Entscheidungsstichwort (Thema)
Mehrwert eines Vergleichs bei Erledigung nicht rechtshängiger Ansprüche
Leitsatz (amtlich)
Grundsätze zum Mehrwert eines Vergleiches, insbesondere Freistellungsvereinbarung, Jahresabschlussvergütung, Zeugnis.
Leitsatz (redaktionell)
Die Vereinbarung der Freistellung des klagenden Arbeitnehmers unter Fortzahlung der Bezüge unter Anrechnung etwaiger Resturlaubs- oder sonstiger Freizeitausgleichsansprüche bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses begründet keinen Mehrwert eines Vergleichs im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses. Im Übrigen setzt die Annahme eines Mehrwerts zumindest voraus, dass über die jeweilige Position Streit bestand.
Normenkette
ZPO § 3
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 06.05.2016; Aktenzeichen 19 Ca 1435/16) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 06.05.2016 - 19 Ca 1435/16 - wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Grundsätzlich gilt zum gebührenrelevanten Mehrwert eines Vergleichs, dass ein Vergleichsmehrwert nur anfällt, wenn durch den Vergleichsabschluss ein weiterer Rechtsstreit und/oder außergerichtlicher Streit erledigt und/oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt werden. Der Wert des Vergleichs erhöht sich nicht um den Wert dessen, was die Parteien durch den Vergleich erlangen oder wozu sie sich verpflichten (Streitwertkatalog vom 05.04.2016 I. 22.1).
Dieses entspricht der ständigen Rechtsprechung der erkennenden Kammer, die ausführlich in dem Beschluss vom 03.03.2009 (4 Ta 467/08, NZA-RR 2009, 503 bis 505) begründet worden ist:
Danach ergibt sich der Wert eines Vergleichs aus dem Wert der rechtshängigen und nichtrechtshängigen Ansprüche, die erledigt werden und nicht aus dem Wert dessen, was die Parteien aus dem Vergleich erlangen oder welche Leistungen sie zum Zwecke der Erledigung der Streitpunkte übernehmen (so auch Zöller/Herget § 3 ZPO Rn. 16 "Vergleich"). Daraus folgt z. B., dass - auch außerhalb des Arbeitsverhältnisses - ein vereinbarter Kapitalbetrag in einem sogenannten Abfindungsvergleich nicht für den Wert eines Vergleichs maßgeblich ist (Zöller/Herget a. a. O.). Der Streitwert eines Vergleichs ist - anders ausgedrückt - gleichbedeutend mit dem Wert der Streitgegenstände, die durch den Vergleich beigelegt werden. Er ist nicht gleichbedeutend mit dem Wert der Leistungen, die sich die Parteien in dem Vergleich im Wege des gegenseitigen Nachgebens gegenseitig versprechen (Wenzel Anm. zu LAG Köln vom 27.07.1995 - AR Blattei ES 160.113 Nr. 199).
Wie schon der Begriff "Streitgegenstand" nahe legt, muss es sich bei den wertbestimmenden Gegenständen um "streitige" Gegenstände handeln (vgl. auch BGH 14.09.2005 - IV ZR 145/04). Es muss sich - was den Mehrwert anbelangt - um die Ausdehnung des Vergleichs auf bereits "rechtshängige" oder "nichtrechtshängige Streitgegenstände" bzw. um die "Miterledigung anderer Streitpunkte" (BGH a. a. O.) handeln.
Diese Grundsätze und ihre Auswirkungen auf verschiedene, oft diskutierte Vergleichsmehrwerte wurden grundlegend in der Entscheidung der erkennenden Kammer vom 03.03.2009 (4 Ta 467/08, NZA-RR 2009, 503 bis 505 und juris) dargestellt
Im Beschluss der erkennenden Kammer vom 15.05.2009 (4 Ta 88/09 - NRWE) wurden diese Grundsätze im Anschluss an eine Entscheidung des LAG Hamm vom 27.07.2007 (6 Ta 357/07 - juris) dahingehend ergänzt, dass in einem Prozessvergleich über die Erledigung streitgegenständlicher und nicht streitgegenständlicher Ansprüche hinaus auch die Ungewissheit über künftige Ansprüche, z. B. über Schadensersatzansprüche, beseitigt werden kann. Auch dieses letztere kann zu einem Mehrwert führen (vgl. auch den Streitwertkatalog in der Fassung vom 05.04.2016, Gliederungspunkt 22.1). Bei dem Begriff der "Ungewissheit" im vorgenannten Sinne ist darauf abzustellen, mit welcher Wahrscheinlichkeit noch künftige Forderungen auftreten können und mit welcher Wahrscheinlichkeit sie strittig sein werden.
II. Nach diesen Maßgaben gilt zu den von der Beschwerde angegriffenen Punkten im Einzelnen Folgendes:
Zu 4. des Vergleichs:
Dass die Freistellung unter Fortzahlung der Bezüge und unter Anrechnung etwaiger Resturlaubsansprüche oder sonstiger Freizeitausgleichsansprüche bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses keinen Mehrwert begründet, hat die erkennende Kammer bereits in der oben zitierten Entscheidung vom 03.03.2009 ausführlich begründet. Darauf wird Bezug genommen (vgl. aus jüngerer Zeit zur Rechtsprechung anderer Kammern des Landesarbeitsgerichts Köln: 10.11.2015 - 11 Ta 336/15 -; 29.07.2015 - 7 Ta 150/15 -; 13.02.2015 - 5 Ta 36/15 - sämtlich juris und m. w. N.).
Diese Rechtsprechung entspricht auch dem Streitwertkatalog (vgl. diesen in der Fassung vom 05.04.2016 unter I. 22.1 mit dem Beispiel in 22.1.4).
Dass die Parteien vor Abschluss des Vergleichs über einen Anspruch der Klägerin auf oder ein Recht der Beklagten zur Freistellung unabhängig von dem Vergleich gestritten hätten, ist weder dargelegt noch sonst aus der A...