Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebung der Prozesskostenhilfe wegen unwichtigen Sachvortrags einer Partei
Leitsatz (amtlich)
Wenn sich nach Durchführung einer Beweisaufnahme aufgrund einer Beweiswürdigung des Gerichts herausstellt, dass die Prozesskostenhilfepartei im Prozess falsch vorgetragen hat, kann die bewilligte Prozesskostenhilfe nachträglich aufgehoben werden.
Normenkette
ZPO § 124 Abs. 1 Nr. 1; ArbGG § 11a Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 18.03.2016; Aktenzeichen 2 Ca 2807/15) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 18.03.2016 (2 Ca 2807/15) wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die gemäß §§ 127 Abs. 2 Satz 2 u. 3 ZPO, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, 78 S.1 ArbGG zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat durch den angefochtenen Beschluss die der Klägerin bewilligte Prozesskostenhilfe zu Recht aufgehoben.
1. Die Vorschriften des Prozesskostenhilferechts sehen gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i. V. m. § 11 a Abs. 1 ArbGG vor, dass das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben soll, wenn die Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat.
2. Diese gesetzlichen Voraussetzungen für die Aufhebung der bereits bewilligten Prozesskostenhilfe sind vorliegend erfüllt.
a) Die Klägerin hat in ihrer Kündigungsschutzklage vom 13.04.2015, durch Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 22.09.2015 und weiteres Vorbringen im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens wahrheitswidrig geleugnet, dass sie am 22.03.2015 ihre Arbeitskollegin Petrescu mit Schimpfwörtern beleidigt und sie ins Gesicht geschlagen hat. Dadurch hat die Klägerin das für die Wirksamkeit der Kündigung maßgebliche Streitverhältnis unrichtig dargestellt.
b) Die objektiv falsche Sachdarstellung steht nach dem Ergebnis der von dem Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme fest. Die Würdigung der Beweisaufnahme i.S.v. § 286 Abs. 1 ZPO durch das Arbeitsgericht ist nicht zu beanstanden.
aa) Die Beleidigung und die Tätlichkeit am 22.03.2015 gegenüber der Arbeitskollegin Petrescu haben die Betroffene, der Zeuge S und der Zeuge H übereinstimmend bestätigt. Das Arbeitsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass die Aussagen der Zeugen detailreich und differenzierend waren, keine Belastungstendenzen aufwiesen und der Zeuge H darüber hinaus weitergehende, schlüssige Hintergrundinformationen liefern konnte. Diese waren sowohl detailreich als auch in sich schlüssig und damit glaubhaft.
bb) Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge Holzmann - ebenso wie der Zeuge S und die Zeugin P - die Beleidigung und die Tätlichkeit der Klägerin erfunden und die Schilderung des Vorfalls abgesprochen haben könnten, sind nicht ersichtlich. Auch die Klägerin hat hierzu keine Anhaltspunkte vortragen können. Soweit sie darauf abstellt, dass alle drei Zeugen bei der Beklagten beschäftigt sind, reicht dieser Umstand - mangels weiterer Anhaltspunkte - alleine nicht, die Glaubwürdigkeit der Zeugen in Zweifel zu ziehen. Dies auch deshalb, weil die Zeugen den Prozeßvortrag der Beklagten nicht etwa wiederholt und in toto bestätigt, sondern eine eigene - in Details abweichende Schilderung - vorgenommen haben.
cc) Der Zeuge H hat überdies angegeben, dass er zur Beilegung der häufigen Streitereien sogar zur Beendigung seines eigenen Arbeitsverhältnisses bereit war und bereits eine Eigenkündigung geschrieben hatte, diese aber nach Rücksprache mit dem Bruder des Gesellschafters wieder zurückzog. Dass ein Zeuge, der so weitgehend zur Streitvermeidung beitragen wollte, nunmehr durch eine Falschaussage vor Gericht ein Geschehen bestätigen sollte, das niemals stattgefunden hat, und sich damit der Gefahr eigener Strafverfolgung aussetzen würde, ist wenig plausibel.
dd) Aufgrund des Beweisergebnisses hinsichtlich des Vorfalls am 22.03.2015 kann im Ergebnis offen bleiben, ob die Klägerin auch hinsichtlich des streitgegenständlichen Geschehens am 26.03.2015 unwahr vorgetragen und ob das Arbeitsgericht - wie die Beschwerde geltend macht - fehlerhaft den von der Klägerin benannten Zeugen F nicht gehört hat.
c) Dass sich die Unwahrheit des Sachvortrags der Klägerin erst nach Durchführung der Beweisaufnahme durch das Arbeitsgericht am 09.03.2016 ergeben hat, steht der Entziehung der Prozesskostenhilfe nicht entgegen. Zwar führt eine im Rahmen eines Rechtsstreits durchgeführte Beweisaufnahme, die zuungunsten des Antragstellers verlaufen ist, nicht stets zu einer Aufhebung der Prozesskostenhilfe. Wenn sich aber nach Durchführung einer Beweisaufnahme, aufgrund einer Beweiswürdigung des Gerichts (§ 286 Abs. 1 ZPO) herausstellt, dass der Antragsteller falsch vorgetragen hat, kann die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nachträglich aufgehoben werden (LAG Köln 04.08.2011 - 12 Ta 85/11 -; OLG Hamm 14.11.2014 - I -9 U 165/13 -; OLG Sachsen-Anhalt 25.02.2003 - 4 W 75/02 -; OLG Düsseldorf 17.07.1996 - 3 WF 158/95 ).
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