Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe;. Vortäuschung der Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH

 

Leitsatz (amtlich)

Gelangt das Gericht nach einer Beweisaufnahme zu der Überzeugung, dass die von der bedürftigen Partei bestrittenen, entscheidungserheblichen Tatsachenbehauptungen ihres Prozessgegners wahr sind (hier: Begehung von Tätlichkeiten), und gelangt es des weiteren zu der Überzeugung, dass das Bestreiten bewusst wahrheitswidrig erfolgte, so kann das Gericht die der bedürftigen Partei vor der Beweisaufnahme bewilligte PKH gemäß § 124 Nr. 1 ZPO wieder entziehen.

 

Normenkette

ZPO §§ 114, 124 Nr. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Aktenzeichen 8 Ca 2600/00)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den die Bewilligung von Prozesskostenhilfe aufhebenden Beschluss des Arbeitsgerichts vom 08.02.2001 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die Beschwerde ist als zulässig anzusehen; denn auch, wenn dies nicht ausdrücklich klargestellt worden ist, ist sie im Zweifel so auszulegen, dass sie im Namen des Klägers – und nicht etwa im eigenen Namen des Prozessbevollmächtigten – eingelegt wurde.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Die Aufhebung der Prozesskostenhilfe-Bewilligung durch das Arbeitsgericht ist rechtlich nicht zu beanstanden. Sie beruht auf § 124 Nr. 1 ZPO. Das Arbeitsgericht konnte rechtsfehlerfrei davon ausgehen, dass der Kläger durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorgetäuscht hat.

Zu diesen Voraussetzungen gehört, dass „die beabsichtigte Rechtsverfolgung … hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint”, § 114 ZPO. Der Kläger hat das Arbeitsgericht über die Erfolgsaussichten seiner Kündigungsschutzklage getäuscht, indem er die von der Beklagten aufgestellten Tatsachenbehauptungen über die Umstände des Vorfalls vom 16.03.2000 wahrheitswidrig in Abrede gestellt hat.

Das Arbeitsgericht hat die ihm in Form von Zeugenaussagen angebotenen Beweismittel nach bestem Wissen und Gewissen nach allen Seiten hin pflichtgemäß gewürdigt, wie sich aus den ausführlichen diesbezüglichen Entscheidungsgründen des Urteils vom 08.02.2001 ergibt. Die Kammer ist dabei zu der Überzeugung gelangt, dass die Zeugenaussagen, die die Behauptungen der Beklagten zu den Kündigungsgründen bestätigten, als wahrheitsgemäß anzusehen sind. Daraus folgt denknotwendig, dass das gegenteilige Bestreiten des Klägers – zunächst objektiv – nicht der Wahrheit entsprechen konnte.

In Anbetracht dessen liegt die vom Arbeitsgericht in dem angefochtenen Prozesskostenhilfe-Aufhebungsbeschluss getroffene weitere Annahme nahe, dass der Kläger den Tatsachenvortrag der Beklagten zu den Kündigungsgründen auch subjektiv wahrheitswidrig bestritten hat, also die Unwahrheit seines eigenen Tatsachenvortrags zumindest bewusst und billigend in Kauf genommen und das Gericht somit belogen hat. Ein lediglich irrtümliches Bestreiten erscheint in Anbetracht eines derart „handfesten” und einfach strukturierten Beweisthemas wie der Frage, ob der Kläger eine Tätlichkeit gegen Person und Sachen begangen hat fernliegend.

Die Beschwerdebegründung enthält keinerlei konkreten, nachprüfbaren, auf den Einzelfall bezogenen Anhaltspunkt dafür, dass das Arbeitsgericht bei einer lege artis vorgenommenen Beweiswürdigung nicht von der Wahrheit der Zeugenaussagen hätte überzeugt sein dürfen oder gar zu dem Ergebnis hätte gelangen müssen, dass die Zeugen lügen und nicht der Kläger. Wie aus den Entscheidungsgründen hervorgeht, hat sich die Kammer auch mit dem Aspekt auseinandergesetzt, dass ein Arbeitnehmer als Zeuge im Prozess seines Arbeitgebers einem gewissen Interessenkonflikt ausgesetzt sein kann. Der in der Beschwerdebegründung stillschweigend unterstellte Erfahrungssatz, dass aller Wahrscheinlichkeit nach alle Arbeitnehmer als Zeugen zugunsten ihres aktuellen Arbeitgebers lügen, existiert jedoch nicht.

Ansonsten erschöpft sich die Beschwerdebegründung darin, dass der Kläger seinem Prozessbevollmächtigten gegenüber trotz Vorhalts einer möglicherweise problematischen Beweislage beteuert habe, die Wahrheit zu sagen. Anders als ein Prozessbevollmächtigter ist das Gericht jedoch zu Neutralität verpflichtet und darf nicht einer einzelnen Partei mit einem einseitigen Vertrauensvorschuss begegnen. Der Gerichtsalltag ist vielfach dadurch gekennzeichnet, dass Streitparteien mit der gleichen Inbrunst die Wahrheit diametral entgegengesetzter und unvereinbarer Tatsachenbehauptungen beteuern. Das Gericht ist gehalten, seine Überzeugung von der Wahrheit – oder auch von der Unaufklärbarkeit einer streitigen Tatsache – allein aus dem Inbegriff der Verhandlung und der erhobenen Beweise zu bilden. Dieser Pflicht hat sich die Kammer im vorliegenden Fall mit einem für den Kläger negativen Ergebnis unterzogen. Der anschließende Entzug der dem Kläger gewährten Prozesskostenhilfe war, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, eine sich aus § 124 Nr. 1 ZPO ergebende, nicht zu beanstandende Konsequenz daraus.

Die Beschwerde...

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