Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassungsanspruch. Arbeitszeit. Karnevalsdienstag. betriebliche Übung. Regelungsabrede. Betriebsvereinbarung. Normvollzug
Leitsatz (amtlich)
1. Eine „betriebliche Übung” mit dem Inhalt, dass am Karnevalsdienstag – bei nur 50 %iger Nacharbeitspflicht – arbeitsfrei ist, kann trotz jahrzehntelanger entsprechender Handhabung nicht entstehen, wenn erkennbar davon auszugehen ist, dass die Handhabung jeweils auf Vereinbarungen mit dem Betriebsrat beruht. Dies gilt auch außerhalb des öffentlichen Dienstes.
2. Zur Frage, wann ein von Arbeitgeber und Betriebsrat unterzeichneter Text als Regelungsabrede zu verstehen ist.
Normenkette
BetrVG §§ 23, 87 Abs. 1 Nrn. 2-3
Verfahrensgang
ArbG Köln (Beschluss vom 20.08.2002; Aktenzeichen 17 BV 34/02) |
Nachgehend
Tenor
Unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Köln vom 20.08.2002 in Sachen 17 BV 34/02 werden die Anträge der Antragsteller zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Arbeitszeitregelung an Karnevalsdienstagen ab dem Kalenderjahr 2003.
Die beiden Antragsteller sind die im Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin und Beteiligten zu 3) (Arbeitgeberin) gewählten Betriebsräte.
Im Bereich der Arbeitgeberin wurde deren Beschäftigten seit einem von den Beteiligten nicht mehr exakt aufklärbaren, lange zurückliegenden Zeitpunkt und unter nicht mehr aufklärbaren näheren Umständen Arbeitsbefreiung an Karnevalsdienstagen gewährt. Jedenfalls seit im Jahre 1971 bei der Arbeitgeberin die Gleitzeit eingeführt wurde, bestand eine Regelung dahingehend, dass für eine Arbeitsbefreiung am Karnevalsdienstag 5,5 Arbeitsstunden nachgearbeitet werden mussten bzw. dem Arbeitszeitkonto belastet wurden (bei einer damaligen Wochenarbeitszeit von 40 Stunden). Im Jahre 1975 fanden Verhandlungen der Arbeitgeberin mit dem Betriebsrat über eine Neugestaltung der sog. Kinderweihnachtsfeier statt. Hierüber verhält sich eine Aktennotiz vom 23.04.1975 (Bl. 153 f. d. A.). In diesem Zusammenhang wurde auch über Arbeitszeitfragen gesprochen. Zu der bis dahin im Zusammenhang mit der Kinderweihnachtsfeier gewährten Zeitgutschrift heißt es in einer an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerichteten Veröffentlichung vom 24.11.1975 u. a. wie folgt:
„Die bisher gewährte Zeitgutschrift von 2,5 Stunden bleibt ihnen in folgender Form erhalten:
- In einer abteilungsinternen, ca. 1 Stunde dauernden Weihnachtsfeier wird ihnen ein bestelltes Präsent (3 Flaschen Wein, Pralinen oder einen Schallplattengutschein) überreicht.
- Eine Zeitgutschrift von 1,5 Stunden erfolgt zugunsten der Karnevalsdienstag-Regelung (bisher 5,5 Stunden Zeitbelastung bei arbeitsfreiem Dienstag).” (Bl. 75 d. A.).
Die Veröffentlichung vom 24.11.1975 wurde von der Personalabteilung/Verwaltung der Arbeitgeberin sowie vom Betriebsrat unterschrieben. In der Folgezeit reduzierte sich dementsprechend die Zeitbelastung des Gleitzeitkontos wegen der Arbeitsbefreiung am Karnevalsdienstag von bis dahin 5,5 Stunden auf nunmehr 4 Stunden. Nach der Reduzierung der tariflichen Wochenarbeitszeit zum 01.07.1990 von 40 auf 38 Arbeitsstunden wurde die entsprechende Belastung des Gleitzeitkontos auf 3,8 Stunden abgesenkt.
Im Jahre 1994 trat die Arbeitgeberin an den Betriebsrat heran, um eine Reihe von „Sozialleistungen” neu zu verhandeln. Dabei ging es auch um die Arbeitszeitregelung für die Karnevalszeit. In einem an alle gerichteten Schreiben vom 24.01.1995 führt die Arbeitgeberin unter dem Betreff „betriebliche Personalzusatzleistungen – hier: Arbeitszeitregelung Karneval 1995” folgendes aus:
„Für die bevorstehende Karnevalszeit 1995 ist in der Zwischenzeit (siehe unser Rundschreiben vom 30.12.1994 zu Tz 5.4) auch eine Regelung getroffen worden.
Für den Standort Köln gilt entsprechend im beiliegenden Rundschreiben nochmals die gleiche Regelung wie im Vorjahr.
Jedoch weisen wir ausdrücklich darauf hin, dass diese Karnevals-Gleitzeit-Regelung eine freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistung der Gesellschaft ist. Sie begründet keinen Rechtsanspruch für die kommenden Jahre, auch nicht durch wiederholte gleichartige Handhabung.” (Bl. 77 d. A.).
In 1995 und allen Folgejahren bis einschließlich 2002 wurden vor Beginn der Karnevalstage Schreiben aufgesetzt und allen Beschäftigten zugeleitet, die unter dem jeweiligen Betreff „Arbeitszeitregelung Karneval 1995” (bzw. 1996, 1997 usw.) die detaillierten Regelungen für die einzelnen Karnevalstage enthielten. Alle diese Schreiben sind mit je zwei Unterschriften der Personalabteilung und des Betriebsrats versehen (Bl. 78 – 88, 130 f. 164. d. A.). Die darin enthaltenen Regelungen für den Karnevalsdienstag entsprachen inhaltlich jeweils den Regelungen der Vorjahre.
Im Jahre 2001 eröffnete die Arbeitgeberin den Betriebsräten, dass sie ab dem Jahr 2003 den Karnevalsdienstag als regulären Arbeitstag behandeln wolle. Verhand...