Entscheidungsstichwort (Thema)
Einigungsstelle für Interessenausgleich
Leitsatz (amtlich)
Die Einigungsstelle ist jedenfalls nach dem Prüfungsmaßstab des § 98 ArbGG nicht deshalb offensichtlich unzuständig für Verhandlungen über einen Interessenausgleich, weil zum Zeitpunkt der Beschlußfassung durch das Gericht die in § 113 III S. 2 u. 3 BetrvG n.F. geregelten Fristen überschritten sind.
Normenkette
ArbGG § 98; BetrVG § 111 ff.
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Beschluss vom 01.09.1997; Aktenzeichen 3 BV 64/97) |
Tenor
Die Beschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Bonn vom 01.09.1997, Aktenzeichen 3 BV 64/97 – wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Einrichtung einer Einigungsstelle.
Der Beteiligte zu 1) ist der bisherige Betriebsrat der mittlerweile in Liquidation befindlichen D GmbH (D ), deren alleinige Gesellschafterin die Bundesrepublik Deutschland ist. Die D war mit der Wahrnehmung von Aufgaben des deutschen Raumfahrtmanagements betraut. Sitz der D war Bonn, wo sich der von ihr geführte Betrieb befindet.
Die D ist entstanden durch Beschluß der Bundesregierung vom 26.04.1989 im Wege der Ausgliederung aus dem damaligen D e.V.. Aufgrund neuerlichen Kabinettsbeschlusses vom 02.07.1997 soll die D mit dem (inzwischen so umbenannten) D e.V. zusammengeschlossen werden. Dieser Schritt wurde ab Juli 1996 konzeptionell vorbereitet. Vorgesehen war eine Einzelrechtsnachfolge durch Übertragung des Betriebes auf den D e.V. i.S.v. § 613 a BGB, wobei unter anderem eine deutliche Verringerung des Managementpersonals für die zivile Luftfahrt angestrebt war (Schreiben BMBF vom 04.11.1996, Blatt 12 ff d.A.).
Angestrebt wurde ein Personalabbau, der durch Ausnutzung zum Beispiel der Fluktuation, aber auch durch den Abschluß von bis zu 30 Aufhebungsverträgen erreicht werden sollte, und zwar mit Mitarbeitern der Jahrgänge 1935 bis 1939 (Schreiben der Arbeitgeberin vom 03.07.1997, Blatt 21 ff d.A.). Die bisherige Beschäftigtenzahl betrug rund 260 Personen.
In einem Schreiben vom 07.03.1997 an den Betriebsrat sah die Arbeitgeberin sich „gehalten, einen Interessenausgleich zu versuchen” und verneinte zugleich eine Sozialplanpflichtigkeit der vorgesehenen Maßnahme. Mit Schreiben vom 13.03.1997 des Betriebsrats (Kopie Blatt 83 f d.A.) erklärte dieser sich zur Aufnahme von Verhandlungen über einen Interessenausgleich bereit und legte unter dem 27.05.1997 den Entwurf eines Interessenausgleichs vor (Kopie Blatt 28 ff d.A.). Hierüber fanden am 16.06.1997 Beratungen statt (Bericht des Betriebsrates, Kopie Blatt 36 ff d.A.).
Mit Schreiben vom 02.07.1997 teilte der Betriebsrat der Arbeitgeberin mit, er sehe die Verhandlungen als gescheitert an (Kopie Blatt 58 d.A.); ein Einigungsstellenverfahren werde vorbereitet. Mit Schreiben vom 14.07.1997 erklärte der Betriebsrat die Anrufung der Einigungsstelle und schlug unter anderem einen Vorsitzenden vor (Kopie Blatt 60 ff d.A.), woraufhin sich die Arbeitgeberin durch Schreiben vom 22.07.1997 grundsätzlich mit der Einrichtung einer Einigungsstelle einverstanden erklärte sowie mit der Zahl der Beisitzer von dreien je Seite; sie unterbreitete zugleich einen Gegenvorschlag zur Person des/der Vorsitzenden. Hierüber kam keine Einigung zustande.
Ab dem 07.07.1997 führte die Arbeitgeberin mit Mitarbeitern Gespräche über den Abschluß von Aufhebungsverträgen (Erklärungen von Mitarbeitern Blatt 62 ff d.A.).
Mit am 01.08.1997 beim Arbeitsgericht Bonn eingegangenem Schriftsatz leitete der Betriebsrat das gerichtliche Bestellungsverfahren zur Einrichtung der Einigungsstelle ein.
Mit Wirkung vom 30.09.1997, 20.00 Uhr, fand die Übernahme des Betriebes der D GmbH durch den D e.V. statt (Kopie des Vertrages Blatt 122 ff d.A.). Die D GmbH befindet sich aufgrund Gesellschafterbeschlusses vom 01.10.1997 in Liquidation.
Der Betriebsrat hat beantragt,
Herrn Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. G R zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle betreffend Interessenausgleich zu bestellen.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, die Anrufung der Einigungsstelle sei spätestens mit Schreiben vom 14.07.1997 erfolgt. Richtigerweise rechne die für das Verfahren zu beachtende Frist aber schon ab der Aufforderung zur Aufnahme von Beratungen über den Interessenausgleich mit Schreiben vom 07.03.1997. Nach deren Ablauf sei die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats durch Beschluß vom 01.09.1997 stattgegeben und dabei den Richter am Arbeitsgericht M J zum Vorsitzenden sowie ersatzweise für den Verhinderungsfall den Direktor des Arbeitsgerichts T bestellt. Es hat angenommen, eine interessenausgleichspflichtige Betriebsänderung sei unstreitig und die Einigungsstelle sei nach § 112 II S. 2 BetrVG zuständig. Der Anspruch des Betriebsrats auf Verhandlung über den Interessenausgleich ende nicht nach Ablauf einer Frist von zwei Monaten nach Beginn der Beratungen oder nach Aufforderung zu Beratungen. Bei § 113 III n.F. BetrVG...