Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsweg für Ansprüche eines "freiberuflich" im Vertrieb tätigen Ingenieurs. Abgrenzung von selbständiger Tätigkeit und Arbeitsverhältnis
Leitsatz (redaktionell)
Die Verpflichtung eines Vertriebsmitarbeiters zu einem Mindestumsatz spricht entscheidend gegen eine selbständige Tätigkeit, da die Festlegung eines Mindestsolls den Mitarbeiter erheblich in der freien Bestimmung seiner Arbeitsdauer einschränkt. Das gilt insbesondere dann, wenn die Vertragsparteien vereinbart haben, dass der Mitarbeiter an vier Tagen in der Woche für den Auftraggeber tätig ist und zwei Arbeitstage in dessen Vertrieb verbringt (ohne den geforderten Mindestumsatz zu erzielen).
Normenkette
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 05.12.2018; Aktenzeichen 9 Ca 5491/18) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 05.12.2018 - 9 Ca 5491/18 abgeändert.
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist zulässig.
Gründe
I.
Die Parteien streiten über eine fristlose Kündigung sowie über Zahlungsansprüche.
Der Kläger ist Diplom-Wirtschaftsingenieur (FH) und unterhält seit 2011 ein Ingenieurbüro. Außerdem betreibt der Kläger eine Internetseite unter dem Namen "b -l .de". Die Beklagte handelt mit Komponenten für die Errichtung und den Betrieb von Photovoltaikanlagen.
Gemäß einem zwischen den Parteien geschlossenen schriftlichen Vertrag vom 22.11.2016, der nach Darlegung der Beklagten vom Büro des Prozessbevollmächtigten des Klägers gefertigt worden war, übertrug die Beklagte dem Kläger "als Freiberufler" auf Provisionsbasis sowie gegen ein monatliches nicht zu verrechnendes Fixum i. H v. 3.500,00 EUR zzgl. USt den Alleinvertrieb an Großhändler und Handwerksbetriebe in den Postleitzahlengebieten 40, 41, 42, 43, 50, 51, 52, 53, 57, 58 sowie für bestimmte Händlergruppen. Gemäß Abschnitt II. des Vertrages stellte die Beklagte dem Kläger u. a. einen Dienstwagen mit Fullservice auch zur uneingeschränkten privaten Nutzung sowie ein Laptop zur Verfügung. Der Kläger verpflichtete sich unter Abschnitt III. § 6 Abs. 1 des Vertrages bis zum Ablauf eines Geschäftsjahres zu einem Mindestnettoumsatzvolumen von 200.000,00 EUR. Für den Fall, dass der Kläger das Ziel nicht erreichen sollte, war der Beklagten gemäß Abschnitt III. § 6 Abs. 2 des Vertrages wahlweise vorbehalten, den Vertrag mit sofortiger Wirkung zu kündigen, das Vertragsgebiet oder den Kundenkreis neu zu bestimmen oder die Vertragsprodukte im Vertragsgebiet selbst oder durch Dritte zu vertreiben. Gemäß Abschnitt III. § 4 des Vertrages war es dem Kläger untersagt, ohne schriftliche Einwilligung der Beklagten für ein Unternehmen "im Bereich Licht" tätig zu werden oder sich an einem Konkurrenzunternehmen zu beteiligen. Ferner musste der Kläger die Übernahme weiterer Vertretungen neben der ihm bereits angegeben Vertretung für die Firma eco2heat, Marburg, einem Hersteller für Infrarot-Heizungen, anzeigen. Wegen des näheren Inhalts des Vertrages wird auf Bl. 5 bis 8 der Akte Bezug genommen. Den Beginn des Vertragsverhältnisses bestimmten die Parteien in einem Änderungsvertrag vom 30.03.2017 "aufgrund von Vertrags-/Kooperationsverhandlungen mit Zulieferern/Herstellern im In- sowie Ausland" einvernehmlich auf den 10.04.2017.
Am 06.02.2017 beantragte der Kläger, der bis dahin Arbeitslosengeld bezogen hatte, bei der Bundesagentur für Arbeit im Hinblick auf die beabsichtigte Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit die Gewährung eines Eingliederungs- bzw. Gründungszuschusses. Gegen den ablehnenden Bescheid der Bundesagentur erhob der Kläger beim Sozialgericht Köln (S 31 AL 508/17). Mit Urteil vom 19.04.2018 entschied das Sozialgericht, dass dem Kläger kein Zuschuss zustehe, da es die Aufnahme einer hauptberuflichen Selbstständigkeit des Klägers in Bezug auf die Vertretertätigkeit für die Beklagte nicht erkennen könne. Die Vermittlungstätigkeit für die Beklagte übe der Kläger nicht selbständig als Handelsvertreter aus. Er trage kein relevantes Unternehmerrisiko
Zuletzt war der Kläger vier Tage/ Woche für die Beklagte tätig, darunter zwei Tage in deren Kölner Büro.
Mit Schreiben vom 31.07.2018 kündigte die Beklagte das Rechtsverhältnis fristlos, da der Kläger das Umsatzziel nicht erreicht habe.
Mit seiner am 10.08.2018 bei dem Arbeitsgericht Köln anhängig gemachten Klage macht der Kläger die Rechtsunwirksamkeit der fristlosen Kündigung sowie Provisionsansprüche über 2.570,75 EUR sowie den Ersatz von Auslagen für Treibstoff und Druckerpatronen geltend.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass zwischen ihm und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis bestehe. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht eröffnet sei.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 05.12.2018 den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Köln verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt...