Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe. Rückwirkung. Bewilligungsreife. Klagerücknahme
Leitsatz (amtlich)
Wird eine ursprünglich zulässige und erfolgversprechende Klage nach Erfüllung zurückgenommen, so ist dies für die beantragte Prozesskostenhilfe unschädlich. Sie ist nachträglich jedenfalls dann zu bewilligen, wenn die Bewilligungsreife vor der Klagerücknahme gegeben war (im Anschluss an LAG Düsseldorf vom 31.08.1989 JurBüro 1990, 98).
Normenkette
ZPO §§ 114-115, 119
Verfahrensgang
ArbG Köln (Beschluss vom 09.07.1999; Aktenzeichen 3 Ca 8159/98) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Köln vom 09.07.1999 – 3 Ca 8159/98 – abgeändert:
Dem Kläger wird für das Verfahren vor dem Arbeitsgericht Prozeßkostenhilfe mit Wirkung vom 01.10.1998 bewilligt und ihm Rechtsanwalt Klingenberg in Köln beigeordnet. Die Bewilligung erfolgt mit der Maßgabe, daß der Kläger keinen eigenen Beitrag zu den Kosten der Prozeßführung zu leisten braucht.
Tatbestand
I. Der Kläger war in der Zeit von Oktober 1995 bis zum 28.02.1998 bei der Beklagten als Verkäufer gegen eine monatliche Vergütung von rund 2.900,00 DM brutto beschäftigt. Das Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Köln (1 Ca 1271/98) wurde am 23.06.1998 durch Prozeßvergleich beendet. In Ziffer 2 des Vergleiches wurde vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abgerechnet werde. Der Kläger forderte die Beklagte in der Folgezeit vergeblich auf, ihm ein qualifiziertes Arbeitszeugnis zu erteilen, zuletzt mit Einschreiben vom 25.08.1998. Schließlich erhob er am 01.10.1998 vor dem Arbeitsgericht Köln Klage auf Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses, verbunden mit dem Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Kopie eines Bewilligungsbescheids des Arbeitsamtes war beigefügt.
Noch vor dem Gütetermin am 07.12.1998 übersandte die Beklagte das geforderte qualifizierte Zeugnis. Daraufhin nahm der Klägervertreter die Klage unter dem 07.12.1998 zurück und bat, über die Prozeßkostenhilfe zu entscheiden.
Mit Beschluß vom 09.07.1999 hat das Arbeitsgericht den Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, eine Erfolgsaussicht der Klage habe nicht vorgelegen, weil sie zurückgenommen worden sei.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers vom 19.08.1999, mit der er geltend macht, dass die Zeugnisklage notwendig gewesen sei und auch zum Erfolg geführt habe.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist gemäß den §§ 11 a Abs. 3, 78 Abs. 1 ArbGG, 127 Abs. 2 ZPO zulässig.
Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
Dem Kläger war rückwirkend ab Antragstellung Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung des von ihm gewählten Rechtsanwalts gemäß den §§ 114, 115, 119 ZPO zu gewähren. Denn dem Klagebegehren fehlte trotz der inzwischen erfolgten Klagerücknahme nicht die hinreichende Erfolgsaussicht.
Zwar kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Beschwerdegerichts für die Beurteilung der Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung nach § 114 ZPO grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts an, weil der letzte Sach- und Streitstand zugrundegelegt werden muß (vgl. LAG Köln vom 13.09.1995 – 5 Ta 235/95 –; ferner Beschluß vom 23.05.1995 – 13 Ta 95/95 –; Beschluß vom 14.03.1994 – 9 Ta 156/93 –). Hat sich also nach durchgeführter Beweisaufnahme oder Entscheidung in der Hauptsache die Erfolglosigkeit des Klagebegehrens herausgestellt, so muß das Prozeßkostenhilfegesuch, das erst nachträglich beschieden wird, regelmäßig zurückgewiesen werden (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 20. Aufl., § 119 Rdnr. 45 f. m.w.N.).
Anders ist die Rechtslage jedoch zu beurteilen, wenn – wie hier – der Kläger die Klage zurücknimmt, nachdem die Beklagte die Klageforderung erfüllt hat. Hier ist die Erfolgsaussicht der Zeugnisklage durch die erfolgte Zeugniserteilung nach Klageerhebung gerade bestätigt worden. Zwar hätte der Kläger in dieser prozessualen Situation die Erledigung der Hauptsache erklären können. Wenn er statt dessen einfach die Klage zurückgenommen hat, so darf ihm daraus aber im Hinblick auf die Prozeßkostenhilfe kein Nachteil entstehen (so auch LAG Düsseldorf vom 31.08.1989 – 14 Ta 222/89, JurBüro 1990 Seite 98). Dies muß jedenfalls dann gelten, wenn eine Bewilligungsreife zugunsten des Klägers vor der Klagerücknahme gegeben war.
Hier hatte der Kläger bereits mit der Klageerhebung alle notwendigen Antragsunterlagen eingereicht. Der war nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozeßführung auch nur in Raten aufzubringen. Das Arbeitsgericht hätte daher bei zeitnaher Entscheidung die Prozeßkostenhilfe bewilligen müssen. Die Klagerücknahme nach Erfüllung des Klagebegehrens ändert auch nichts an der ursprünglich gegebenen Erfolgsaussicht. Sie entspricht vielme...