Entscheidungsstichwort (Thema)

Vollstreckungsgegenklage. Globalantrag. Anordnung Überstunden

 

Leitsatz (amtlich)

1. Begründetheit eines Vollstreckungsgegenantrags gegen einen Beschluss, der den Arbeitgeber zur Unterlassung der Anordnung von Überstunden ohne Zustimmung des Betriebsrates verpflichtet, wenn die Parteien nachträglich eine einschränkende Betriebsvereinbarung abgeschlossen haben.

2. Voraussetzungen eines Anspruchs auf Titelherausgabe nach § 371 BGB analog.

 

Normenkette

ZPO § 767; BGB § 371; ArbGG § 85 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Beschluss vom 15.09.2010; Aktenzeichen 5 BV 21/10)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 19.06.2012; Aktenzeichen 1 ABR 35/11)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 15.09.2010 – 5 BV 21/10 – wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I. Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit der Vollstreckung aus einem Unterlassungstitel und um die Herausgabe des Vollstreckungstitels.

Der Antragsteller ist eine gemeinnützige Körperschaft, die bundesweit mit mehr als 6500 Mitarbeitern Patienten mit N in 211 Behandlungseinrichtungen versorgt. Der Beteiligte zu 2) und Beschwerdeführer ist der bei dem Antragsteller im N A gewählte Betriebsrat.

Am 17.02.1992 erwirkte der Beschwerdeführer gegen den Antragsteller in dem Verfahren Arbeitsgericht Aachen 5 BV 82/91 einen vollstreckungsfähigen Beschluss mit folgendem Tenor:

  1. Das K wird verpflichtet, künftig die Anordnung von Überstunden ohne Einhaltung des Mitbestimmungsverfahrens gemäß § 87 BetrVG zu unterlassen.
  2. Dem K wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen diese Verpflichtung aus Ziffer 1. ein Ordnungsgeld bis zur gesetzlich zulässigen Höchstgrenze von 20.000,– DM angedroht.

In der Folgezeit kam es bei dem Antragsteller zu betrieblichen Regelungen über die Arbeitszeit. So trat mit Spruch der Einigungsstelle zur Regelung der Arbeitszeit im Pflegebereich des D A mit Wirkung zum 09.07.2001 eine Regelung ein, nach deren § 6 (Ausnahmen von Dienstplanschema) ein von dem festgelegten Dienstplanschema abweichender Einsatz von Arbeitnehmern ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats unter gewissen Umständen zulässig war.

Am 15.01.2010 schlossen die Beteiligten dann eine „Betriebsvereinbarung über die Grundsätze der Dienstplangestaltung im Pflegebereich des Ni A” ab, welche am 01.04.2010 in Kraft trat. Diese Betriebsvereinbarung regelt unter § 7 („Dienstplanänderung”):

„…

(3) Für Dienstplanänderungen in Eilfällen gilt:

Bei einem solchen Eilfall können Pflegekräfte zu Überstunden bzw. zusätzlichen Diensten auf freiwilliger Basis herangezogen werden. Findet sich keine Pflegekraft für freiwillige Überstunden oder zusätzlichen Dienst, ist die Verwaltungsleitung berechtigt, Überstunden bzw. einen zusätzlichen Dienst oder den Wechsel von Früh- in Spätschicht oder umgekehrt anzuordnen. Die Zustimmung des Betriebsrats hierzu ist unverzüglich in Textform beim Betriebsrat zu beantragen.

Liegt zum Zeitpunkt der notwendigen Maßnahme die Zustimmung des Betriebsrats nicht in Textform vor, kann die Verwaltungsleitung die Maßnahme vorläufig durchführen.

…”

Mit Antrag vom 04.09.2009 beantragte der Beschwerdeführer ein Ordnungsgeld gegen den Antragsteller festzusetzen auf der Grundlage des Beschlusses des Arbeitsgerichts Aachen vom 17.02.1992 wegen angeblicher Verstöße des Antragstellers gegen die Unterlassungsverpflichtung aus dem Beschluss.

Mit dem hier streitgegenständlichen Antrag vom 08.03.2010 begehrt der Antragsteller, u.a. die Vollstreckung aus dem Titel für unzulässig zu erklären.

Er hat die Auffassung vertreten, jedenfalls nach Inkrafttreten der Betriebsvereinbarung vom 15.01.2010 bestehe der Unterlassungsanspruch des Beschwerdeführers in der titulierten Form nicht mehr, da die Betriebsvereinbarung ausdrücklich eine Anordnung von Überstunden auch ohne Zustimmung des Betriebsrats in Eilfällen vorsieht.

Der Antragsteller und Beschwerdegegner hat beantragt,

  1. die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 17.02.1992, Aktenzeichen 5 BV 82/09, für unzulässig zu erklären;
  2. den Antragsgegner zu verurteilen, sämtliche ihm erteilten vollstreckbaren Ausfertigungen des genannten Beschlusses an den Antragsteller herauszugeben;
  3. anzuordnen, dass die Vollstreckung aus dem Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 17.02.1992, Aktenzeichen 5 BV 82/91 bis zur Rechtskraft dieses Beschlusses einstweilen eingestellt wird.

Der Beteiligte zu 2. und Beschwerdeführer hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Er hat die Ansicht vertreten, die Unterlassungsverpflichtung aus dem Beschluss sei durch den Spruch der Einigungsstelle und der Betriebsvereinbarung vom 15.01.2010 nicht entfallen. Denn soweit die Betriebsparteien in diesen Regelungen vereinbart hätten, unter welchen Voraussetzungen der Antragsteller berechtigt sei, ohne vorherige Zustimmung Überstunden anzuordnen, liege in diesen Fällen gerade kein Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung vor. Denn mit diesen Vereinbarungen h...

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