Rechtsmittel zugelassen

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmung bei Fragen des Verhaltens der Arbeitnehmer im

 

Leitsatz (amtlich)

Dem Betriebsrat steht kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Ziffer 1 BetrVG zu, wenn der Arbeitgeber die Arbeitnehmer im Hinblick auf einen etwaigen Entgeltfortzahlungsanspruch veranlaßt, sich im Falle eines Arztbesuches während der Arbeitszeit die Notwendigkeit des Arztbesuches vom behandelnden Arzt auf einem vom Arbeitgeber entwickelten Formular bescheinigen zu lassen – Abgrenzung des Ordnungsverhaltens der Arbeitnehmer vom Leistungsverhalten.

 

Normenkette

BetrVT § 87 Abs. 1 Ziff. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Beschluss vom 04.10.1995; Aktenzeichen 15 BV 98/95)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 21.01.1997; Aktenzeichen 1 ABR 53/96)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der am 4.10.1995 verkündete Beschluß des Arbeitsgerichts Köln – 15 BV 98/93 – abgeändert:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I. Die Antragsgegnerin ist ein Unternehmen der metallverarbeitenen Industrie und beschäftigt derzeit 65 Arbeitnehmer. Der Antragsteller ist der im Betrieb gewählte, aus fünf Mitgliedern bestehende Betriebsrat. Die Arbeitgeberin ist nicht tarifgebunden.

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Ziffer 1 BetrVG zusteht, wenn die Arbeitgeberin die Arbeitnehmer veranlaßt, sich im Falle eines Arztbesuches während der Arbeitszeit die Notwendigkeit des Arztbesuches vom behandelnden Arzt auf einem von der Arbeitgeberin entwickelten Formular bescheinigen zu lassen.

Dem Streit liegt folgendes zugrunde: Am 24.03.1995 gab die Arbeitgeberin durch Aushang bekannt, jeder Mitarbeiter, der während der Arbeitszeit einen Arzt aufsuche, müsse eine ausgefüllte Bescheinigung des Arztes vorlegen; die ausgefüllte Bescheinigung sei Voraussetzung für die Weiterzahlung der Vergütung für die Zeit des Arztbesuches; Formulare für die Bescheinigung seien im Meisterbüro erhältlich.

Das von der Arbeitgeberin vorgesehene Formular sieht wie folgt aus:

„Bescheinigung des behandelnden Arztes zur Vorlage beim Arbeitgeber

Name des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin: …

Der/die Mitarbeiter/in war heute in der Zeit von … Uhr bis … Uhr bei uns zur Behandlung.

Sofern die Behandlungszeit innerhalb der Arbeitszeit lag, mußte die Behandlung aus folgendem wichtigen Grund zu dieser Tageszeit ausgeführt werden:

  • • ambulante Behandlung aufgrund eines während der Arbeitszeit erlittenen Arbeitsunfalls
  • • Arztbesuch anläßlich einer während der Arbeitszeit aufgetretenen akuten Erkrankung, wobei hiermit die Notwendigkeit des sofortigen Arztbesuchs bescheinigt wird
  • • amtsärztlich angeordnete Untersuchung oder Vorsorgeuntersuchung
  • •Spezialuntersuchung, deren notwendige Durchführung während der Arbeitszeit hiermit durch den Arzt bescheinigt wird

Inhaltlich hat sich die Arbeitgeberin mit dem von ihr entwickelten Formular an die Regelung in § 9 Nr. 5 des Manteltarifvertrages für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie NW angelehnt, der vorsieht, daß das regelmäßige Arbeitsentgelt in folgenden Fällen der Verhinderung für die unvermeidliche Ausfallzeit während der Schicht weitergezahlt wird:

  1. bei Arbeitsunfall,
  2. bei ambulanter Behandlung aufgrund eines während der Arbeitszeit erlittenen Arbeitsunfalls
  3. bei Arztbesuch anläßlich einer während der Arbeitszeit aufgetretenen akuten Erkrankung, sofern der Arzt, ggf. der Betriebsarzt, die Notwendigkeit des sofortigen Arztbesuches bescheinigt,
  4. bei amtsärztlich angeordneten Untersuchungen, Vorsorgeuntersuchungen sowie bei Arztbesuch anläßlich einer notwendigen Spezialuntersuchung, sofern diese während der Arbeitszeit durchgeführt werden müssen, und der Arzt dies bescheinigt.

Den Betriebsrat hat die Arbeitgeberin bei der Entwicklung des Formulars nicht beteiligt. Sie hat seine Aufforderung, den Aushang zu entfernen und die weitere Verwendung der Formulare zu unterlassen, zurückgewiesen. Daraufhin hat der Betriebsrat das vorliegende Beschlußverfahren eingeleitet.

Er hat die Ansicht vertreten, ihm stehe bei der Einführung der Formulare ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu. Es gehe um eine kollektive Maßnahme zur Regelung der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer.

Der Betriebsrat hat beantragt,

  1. der Antragsgegnerin aufzugeben, es zu unterlassen, die „Bescheinigung des behandelnden Arztes zur Vorlage beim Arbeitgeber” ohne Zustimmung des Betriebsrates zu verwenden,
  2. der Antragsgegnerin für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld anzudrohen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in Abrede gestellt und die Ansicht vertreten, mit dem Formular werde nicht das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG geregelt. Vielmehr habe die Arbeitgeberin die Voraussetzungen konkretisi...

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