Verfahrensgang
ArbG Aachen (Beschluss vom 26.05.1993; Aktenzeichen 3 BV 2/93) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners und des Beteiligten zu 3. wird der am 26.05.1993 verkündete Beschluß des Arbeitsgerichts Aachen – 3 BV 2/93 – abgeändert:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Antragsteller ist der seit dem 04. Juni 1992 beim Antragsgegner (Arbeitgeber) amtierende fünfköpfige Betriebsrat. Er verlangt mit vorliegendem Verfahren vom Arbeitgeber, der sich als eingetragener Verein die Ausbildung, Förderung und Weiterbildung von Jugendlichen zur Aufgabe gemacht hat, gemäß § 104 BetrVG die Entlassung des Beteiligten zu 3., eines beim Arbeitgeber seit 1987 beschäftigten 55-jährigen Ausbildungsmeisters. Er begründet seine Forderung mit der Behauptung, der Beteiligte zu 3. habe Anfang 1992 in mehreren Fällen Auszubildende geschlagen; am 22. Juli 1992 sei es zu einem Wiederholungsfall gekommen. Außerdem habe er mehrmals dienstliche Schriftsachen des Betriebsratsmitglieds K. manipuliert und am 11. Dezember 1992 die Wahl der Jugendvertretung dadurch behindert, daß er gegenüber Auszubildenden behauptet habe, die Wahl sei ungültig, die Jugendlichen brauchten deshalb nicht zu wählen. Schließlich habe der Beteiligte zu 3. gegen die Betriebsratsmitglieder K. und E. ein Ehrenschutzverfahren – gerichtet auf Unterlassung und Widerruf – eingeleitet mit der wahrheitswidrigen Behauptung, er habe keine Auszubildenden geschlagen.
Der Betriebsrat hat beantragt,
dem Arbeitgeber aufzugeben, dem Beteiligten zu 3. fristgemäß zu kündigen.
Arbeitgeber und Beteiligter zu 3. haben Zurückweisung beantragt und die Vorwürfe bestritten.
Das Arbeitsgericht Aachen hat dem Antrag nach Beweisaufnahme mit Beschluß vom 26. Mai 1993 stattgegeben. Wegen der Gründe wird auf den Beschluß Bezug genommen.
Dieser Beschluß wurde dem Arbeitgeber am 30.06.1993 und dem Beteiligten zu 3. am 01.07.1993 zugestellt. Beide haben am 29.07.1993 Beschwerde eingelegt, die sie am 25.08. (Beteiligter zu 3.) bzw. 27.08.1993 (Arbeitgeber) begründet haben. Sie wiederholen ihr erstinstanzliches Vorbringen und betonen insbesondere, mit der Durchführung des Ehrenschutzverfahrens nehme der Beteiligte zu 3. lediglich ein Grundrecht wahr.
Arbeitgeber und Beteiligter zu 3. beantragen,
unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses den Antrag des Betriebsrats zurückzuweisen.
Der Betriebsrat beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und führt – unter teilweiser Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrags – aus: Er habe zunächst versucht, die eingetretenen Betriebsstörungen abzufangen, was ihm aber unvorhersehbarerweise nicht gelungen sei. Solange die Unterlassungsklage des Beteiligten zu 3. im Raum sei, könne kein Betriebsfrieden einkehren.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die angefochtene Entscheidung, die zu den Akten gereichten Urkunden sowie ergänzend auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerden sind zulässig: Sie sind gemäß § 87 ArbGG an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden.
Sie hatten auch in der Sache Erfolg. Die Voraussetzungen des § 104 Satz BetrVG liegen auch dann nicht vor, wenn man ausschließlich den Vortrag des Betriebsrats würdigt und als wahr unterstellt. Selbst wenn man nämlich von Verletzungshandlungen des Beteiligten zu 3. im Sinne dieser Vorschrift ausgeht, so ist jedenfalls eine Störung des Betriebsfriedens weder vorgetragen noch sonstwie ersichtlich. Dies aber wäre für einen erfolgreichen Antrag erforderlich; denn falsch wäre die Ansicht, bei den Verletzungshandlungen einerseits und den Störungen des Betriebsfriedens andererseits handele es sich um ein und dasselbe Tatbestandsmerkmal in § 104 Satz 1 BetrVG, so daß, wer das eine vortrage, zugleich auch das andere vorgetragen habe – jedenfalls dann, wenn es sich um schwerwiegende Verfehlungen handele. Vielmehr muß in jedem Fall zu der Verletzungshandlung kumulativ eine Störung des Betriebsfriedens hinzutreten, die von jener im Sinne eines Ursachenzusammenhangs hervorgerufen wird und ihr somit – zumindest im Regelfall – zeitlich nachfolgt: Beide verhalten sich zueinander wie Verletzungshandlung und Schaden im Deliktsrecht. Eine derartige Störung des Betriebsfriedens, die nicht schon in den dem Beteiligte zu 3. vorgeworfenen Verletzungshandlungen liegt, kann dem Sachvortrag der Beteiligten nicht entnommen werden:
Eine Störung des Betriebsfriedens im Sinne von § 104 Satz 1 BetrVG liegt nämlich nur dann vor, wenn das friedliche Zusammenarbeiten der Arbeitnehmer untereinander und mit dem Arbeitgeber gestört ist, die Störung von einer gewissen Dauer und von nachteiliger Wirkung für eine größere Anzahl von Arbeitnehmern ist (Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 15. Aufl., § 104 Rdn. 5). Dabei genügt eine bloße Gefährdung des Betriebsfriedens nicht; vielmehr muß der Betriebsfrieden so erheblich beeinträchtigt sein, daß die Zusamme...