Entscheidungsstichwort (Thema)

Urteilstenor. Berichtigung. Vorsitzender

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ist eine Kostenentscheidung im verkündeten Urteilstenor offenkundig versehentlich unterblieben, kann sie im Wege der Berichtigung nach § 319 ZPO nachgeholt werden.

2. Zuständig für die Berichtigung des Urteilstenors ist der Vorsitzende der Kammer des Arbeitsgerichts

 

Normenkette

ZPO § 319; ArbGG § 53 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Siegburg (Beschluss vom 15.08.2011; Aktenzeichen 4 Ca 477/11 G)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Berichtigungsbeschluss des Arbeitsgerichts Siegburg vom 15. August 2011 – 4 Ca 477/11 G – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I. Durch Urteil vom 21. Juni 2011 hat das Arbeitsgericht Siegburg der Klage gegen die Kündigung und auf Weiterbeschäftigung stattgegeben. Der verkündete Tenor enthält keine Kostenentscheidung. In den Entscheidungsgründen des von der Vorsitzenden unterzeichneten Urteils heißt es, die Kosten seien gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 91 ZPO der Beklagten als der unterlegenen Partei aufzuerlegen gewesen.

Die Vorsitzende hat nach Anhörung der Parteien durch Beschluss vom 15. August 2011 den Urteilstenor u. a. um die Entscheidung ergänzt, dass die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits trägt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der am 22. August 2011 beim Arbeitsgericht Siegburg eingelegten sofortigen Beschwerde. Sie ist der Ansicht, eine vergessene Kostengrundentscheidung könne nicht nachträglich im Wege der Urteilsberichtigung nachgeholt werden.

 

Entscheidungsgründe

II. Die nach § 319 Abs. 3 ZPO statthafte und nach § 569 ZPO form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist nicht begründet.

Die Vorsitzende der Kammer des erstinstanzlichen Gerichts war berechtigt, den Urteilstenor dahin zu ergänzen, dass die (bis dahin entstandenen) Kosten des Rechtsstreits die Beklagte trägt.

1. Entgegen der Ansicht der Beklagten kann ein Tenor ohne Kostenentscheidung, die jedoch in den Gründen behandelt wird, nach § 319 ZPO berichtigt werden. Einer Ergänzung des Urteils nach § 321 ZPO bedarf es nicht. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (z. B. Beschluss vom 30. September 1981 – IV b ZB 805/81 – VersR 1982, 70), ist auch in der landesarbeitsgerichtlichen Rechtsprechung bereits so erkannt worden (vgl. LAG Köln, Beschluss vom 12. Dezember 2007 – 5 Ta 344/07 –; LAG Bremen, Beschluss vom 28. Februar 1996 – 4 Ta 6/96 – MDR 1996, S. 1069) und wird auch in der Literatur vertreten (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 319 Rdn. 10).

Auch in der von der Beklagten angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10. Februar 2011 – IX ZR 110/09 – ist dies bestätigt worden. Ausdrücklich wird darin ausgeführt, dass die Kostenentscheidung nach § 319 ZPO nachgeholt werden kann, wenn das Fehlen auf einem offenkundigen Versehen beruht. Dies lässt sich aus dem Gesamtzusammenhang zwischen Entscheidungsformel und Entscheidungsgründen ersehen (so auch: OLG München, Beschluss vom 16. Juni 2003 – 7 W 1516/03 –). Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein Ausspruch über die Kostentragung bewusst unterblieben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Februar 2011 – XI ZR 110/09 –).

Ausweislich des Nichtabhilfebeschlusses des erstinstanzlichen Gerichts vom 20. September 2011 ist der Ausspruch der Kostenentscheidung im Tenor des erstinstanzlichen Urteils versehentlich unterblieben. Dafür spricht, dass in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils ausdrücklich ausgeführt wird, der Beklagten als unterlegener Partei seien die Kosten gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 91 ZPO aufzuerlegen gewesen.

Ein offenkundiges Versehen ist schon deshalb anzunehmen, weil das (End-)Urteil das erstinstanzliche Verfahren abschloss und demgemäß eine Kostenentscheidung zu ergehen hatte. Aus der Sicht aller Beteiligten konnte deshalb kein Zweifel bestehen, dass nur versehentlich die Kostenentscheidung unterblieben war. Ein anderer Grund für die Unvollständigkeit des Urteilstenors kam nicht in Betracht (vgl. dazu auch: BGH, Beschluss vom 22. September 2009 – IV ZR 128/08 –).

2. Die Berichtigung des Urteils nach § 319 ZPO hat zutreffend die Vorsitzende der erstinstanzlichen Kammer vorgenommen. Nach § 53 Abs. 1 S. 1 ArbGG erlässt die Vorsitzende die nicht auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergehenden Beschlüsse und Verfügungen allein, soweit nichts anderes bestimmt ist. Nach § 128 Abs. 4 ZPO bedarf die Berichtigung keiner mündlichen Verhandlung. Etwas anderes ergibt sich nicht aus § 60 Abs. 3 S. 2 ArbGG, wonach die Urteilsformel von der Vorsitzenden und den ehrenamtlichen Richtern zu unterzeichnen ist, wenn das Urteil ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter verkündet wird. Nach § 60 Abs. 4 S. 1 ArbGG ist das Urteil des Arbeitsgerichts allein von der Vorsitzenden zu unterzeichnen. Damit hat der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen, dass die Vorsitzende Unklarheiten oder Doppeldeutigkeiten oder auch Auslassungen, die erfahrungsgemäß immer wieder unterlaufen, in den Urteilsgründen klar...

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