Verfahrensgang

ArbG Leipzig (Beschluss vom 25.06.1998; Aktenzeichen 4 Ca 11552/97)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Berichtigungsbeschluß des Arbeitsgerichts Leipzig vom 25. Juni 1998 – 4 Ca 11552/97 –

aufgehoben.

 

Tatbestand

I.

In dem Ausgangsverfahren verkündete das Arbeitsgericht am Ende der Sitzung vom 13. Mai 1998 nach geheimer Beratung der Kammer und Wiederaufruf der Sache folgende Urteilsformel:

  1. „Die Klage wird abgewiesen.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
  3. Der Streitwert wird auf 14.128,00 DM festgesetzt.”

Auf Bl. 97 d. A. findet sich eine von der Vorsitzenden und den beiden ehrenamtlichen Richtern unterzeichnete Urteilsformel mit gleichem Wortlaut.

Am 25. Juni 1998 ging bei der Geschäftsstelle die von der Vorsitzenden vollständig abgesetzte Urteilsurschrift zu dem am 13. Mai 1998 verkündeten Urteil ein. Der Urteilstenor dieser Urteilsurschrift ist wortgleich mit dem am 13. Mai 1998 verkündeten Urteil. In den Entscheidungsgründen ist allerdings ausgeführt, daß die vom Kläger erhobene Kündigungsschutzklage begründet ist und der Kläger einen Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung hat.

Ohne vorherige Anhörung der Parteien beschloß das Arbeitsgericht am 25. Juni 1998 durch die Kammervorsitzende und dieselben ehrenamtlichen Richter, die an dem am 13. Mai 1998 verkündeten Urteil mitgewirkt hatten, die Urteilsformel dieses am 13. Mai 1998 verkündeten Urteils gemäß § 319 ZPO wie folgt zu berichtigen:

  1. „Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 14. Oktober 1997, hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung vom 14. Oktober 1997 nicht aufgelöst worden ist.
  2. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Bedingungen als Rettungsassistent über den 16. Oktober 1997 hinaus weiterzubeschäftigen.
  3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  4. Der Streitwert wird auf 14.800,00 DM festgesetzt.”

Zur Begründung dieses Beschlusses wird ausgeführt, die Kammer habe nach der mündlichen Beratung vom 13. Mai 1998 entschieden, die Kündigung sei unwirksam und das Arbeitsverhältnis bestehe fort. Irrtümlicherweise sei der Tenor abweichend zu der Entscheidung der Kammer formuliert worden. Der Berichtigungsbeschluß vom 25. Juni 1998, der sowohl von der Vorsitzenden als auch von den beiden ehrenamtlichen Richtern handschriftlich unterzeichnet ist, wurde den Prozeßbevollmächtigten der Parteien zugleich mit dem nach Maßgabe dieses Berichtigungsbeschlusses berichtigten Urteil zugestellt.

Mit seiner beim Arbeitsgericht am 03. Juli 1998 eingegangenen sofortigen Beschwerde macht der Beklagte geltend, der ihm am 27. Juni 1998 zugestellte Berichtigungsbeschluß sei unwirksam.

Der Kläger ist der sofortigen Beschwerde des Beklagten entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die gemäß § 319 Abs. 3 ZPO an sich statthafte und nach Maßgabe von §§ 577, 567 ff. ZPO auch im übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Beklagten ist begründet. Die Voraussetzung für eine Urteilsberichtigung nach § 319 Abs. 1 ZPO liegen nicht vor. Die am 13. Mai 1998 verkündete Urteilsformel leidet weder unter einem Schreibfehler noch einem Rechenfehler noch unter einer ähnlichen offenbaren Unrichtigkeit.

Die in § 319 ZPO eröffnete Möglichkeit, ein bereits verkündetes Urteil zu berichtigen, durchbricht den in § 318 ZPO normierten Grundsatz der innerprozessualen Bindung des Gerichts an seine Entscheidung. Das Nebeneinander von § 318 und § 319 ZPO macht deutlich, daß eine Berichtigung nach § 319 ZPO nur in Betracht kommt, wenn ein Fehler bei der Verlautbarung des Willens des Gerichts entstanden ist. Eine Berichtigung scheidet dagegen aus, wenn der Fehler bei der Willensbildung selbst unterlaufen ist (vgl. BAG, Urteil vom 13. November 1974 – 5 AZR 54/74 –, AP Nr. 45 zu § 616 BGB zu I. 1. der Gründe; BAG, Beschluß vom 19. August 1986 – 4 AZB 15/86 –, AP Nr. 20 zu § 319 ZPO).

Für eine Berichtigung nach § 319 ZPO ist weiterhin erforderlich, daß die Unstimmigkeit zwischen Wille und Erklärung offenbar ist. Das bedeutet, daß sich die Unrichtigkeit für einen Außenstehenden aus dem Zusammenhang des Urteils oder aus den Vorgängen bei Erlaß und Verkündung ohne weiteres ergeben muß. Ein nur gerichtsintern gebliebenes Versehen, das meist nicht ohne weitere Beweiserhebung überprüft werden könnte, stellt keine offenbare Unrichtigkeit i. S. v. § 319 ZPO dar. Hierfür spricht bereits, daß der Berichtigungsbeschluß nach § 319 ZPO auch von solchen Richtern gefaßt werden kann, die bei der Beratung über das Urteil nicht mitgewirkt haben. Bei fehlender Erkennbarkeit der Unrichtigkeit wäre es den Richtern, die bei der Beratung nicht mitgewirkt haben, nicht möglich, die Unrichtigkeit zu berichtigen (BAG, Beschluß vom 19. August 1986, a. a. O.; BGH, Urteil vom 08. März 1956 – III ZR 265/54 –, BGHZ 20, 188, 192; BGH, Urteil vom 08. Juli 1980 – VI ZR 176/78 –, BGHZ 78, 22 f.).

Ob bei sog. Stuhlurteilen, bei denen zum Zeitpunkt der Verkündung das vollständig abgesetzte und mit Gründen versehene Urteil noch nicht vorl...

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