Entscheidungsstichwort (Thema)
Weiterbeschäftigung. Zwangsvollstreckung. Titel. Bestimmtheit
Leitsatz (amtlich)
Sind unter Einbeziehung von Tatbestand und Entscheidungsgründen eines ein Versäumnisurteil aufrechterhaltenden Schlussurteils insbesondere nach Maßgabe einer einschlägigen tariflichen Eingruppierung der arbeitsvertraglich geschuldeten Aufgabenstellung Inhalt und Umfang der vertraglichen Tätigkeit hinreichend erkennbar, so liegt ein zur Vollstreckung der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung hinreichend bestimmter Titel vor.
Normenkette
ZPO § 888
Verfahrensgang
ArbG Köln (Beschluss vom 08.03.2010; Aktenzeichen 10 Ca 4222/09) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 08.03.2010 – 10 Ca 4222/09 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beklagte und Schuldnerin ist nach Maßgabe durch das erstinstanzliche Urteil vom 21.01.2010 bestätigten Versäumnisurteils vom 01.10.2009 verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Gehilfe weiter zu beschäftigen.
Gegen dieses der Beklagten am 05.02.2010 zugestellte Urteil erster Instanz hat die Beklagte und Schuldnerin am 12.02.2010 Berufung eingelegt.
Auf Antrag des Klägers und Gläubigers hat das Arbeitsgericht Köln mit Beschluss vom 08.03.2010 gegen den Schuldner zur Erfüllung der titulierten Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung ein Zwangsgeld von 500,00 EUR, ersatzweise zwei Tage Zwangshaft, verhängt.
Der Beschluss des Arbeitsgerichts wurde der Schuldner am 09.03.2010 zugestellt.
In diesem Beschluss wendet sich die am 17.03.2010 beim Arbeitsgericht eingegangene sofortige Beschwerde der Schuldnerin und Beklagten.
Die Schuldnerin und Beklagte macht geltend, dass mit dem Titel erster Instanz ein vollstreckungsfähiger Weiterbeschäftigungstitel nicht vorliege und damit die Voraussetzungen für die Weiterbeschäftigung nicht gegeben seien. Der Titel verpflichte die Schuldnerin, den Gläubiger „als Gehilfen” bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen. Eine solche Position – „Gehilfe” – habe der Gläubiger gar nicht inne. Der Gläubiger sei vielmehr bei der Beklagten in der Position des Palettovitbeschickers (Abfahrers) in der Lohngruppe 3/4 beschäftigt.
Der erstinstanzlich vorgelegte Arbeitsvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer 20./22.07.1977 enthält u. a. folgende Klausel: Wir behalten uns vor, sie gegebenenfalls auch mit anderen Arbeiten oder in einer anderen Abteilung zu beschäftigen.
Einstufung ist die Tariflohngruppe III / IV aufgeführt.
Die Schuldnerin führt in ihrer Beschwerdebegründung u. a. auf, dass die Entscheidung des Arbeitsgerichts auf der fehlerhaften Annahme beruhe, dass sich eine inhaltliche Bestimmtheit des Weiterbeschäftigungstitels im Wege der Auslegung aus Tatbestand und Entscheidungsgründen des Urteils erster Instanz ermitteln lasse. Das Arbeitsgericht übersehe dabei, dass der angefochtene Beschluss auf der Basis des Versäumnisurteils vom 01.10.2009 erlassen worden sei. Die Möglichkeit einer ergänzenden Auslegung scheide danach per se aus, da das Versäumnisurteil weder Tatbestand noch Entscheidungsgründe enthalte.
Würde man die Formulierung „Gehilfe” noch als hinreichend bestimmt ansehen, bestehe im Streitfall die Besonderheit, dass der Kläger und Vollstreckungsgläubiger nicht als „Gehilfe”, sondern als Palettovitbeschicker (Abfahrer) in der Lohngruppe 3/4 vormalig beschäftigt gewesen sei.
Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde der Schuldnerin nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II. Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 62 Abs. 2 ArbGG, 793 ZPO an sich statthaft und wurde fristgerecht eingelegt.
In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg.
Der Antrag auf Verhängung von Zwangsmitteln ist nach § 888 ZPO gerechtfertigt. Die allgemeinen Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung (Titel, Klausel, Zustellung) liegen vor.
Bei der Verurteilung zur Weiterbeschäftigung handelt es sich um die Verurteilung zur Vornahme einer unvertretbaren Handlung.
Der arbeitsgerichtliche Titel des Versäumnisurteils ist zur Zwangsvollstreckung geeignet.
Entgegen der Annahme der Schuldnerin ist die Leistungspflicht der Schuldnerin im Titel hinreichend bestimmt. Sie ergibt sich aus dem Tenor des durch arbeitsgerichtliches Schlussurteil vom 21.01.2010 bestätigten Versäumnisurteils vom 01.10.2009 in Verbindung mit dem Tatbestand und den Entscheidungsgründen des Urteils erster Instanz vom 21.01.2010.
Entgegen der Auffassung der Schuldnerin und Beklagten sind naturgemäß auch Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils vom 21.01.2010, welches das Versäumnisurteil vom 01.10.2009 aufrechterhält und damit die dortigen Weiterbeschäftigungspflicht bestätigt für die relevanten Einzelheiten des Beschäftigungstitels heranzuziehen. Demnach ergibt sich, dass der Kläger in der Funktion eines gewerblichen Arbeitnehmers der Lohngruppe 3/4 als Gehilfe ...