Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsratswahl. Anfechtung. Wahlausschreiben. schriftliche Stimmabgabe. Anfechtung einer Betriebsratswahl. Aushang des Wahlausschreibens im Privathaus des Wahlvorstandsvorsitzenden
Leitsatz (amtlich)
1 Ein im Privathaus des Wahlvorstandsvorsitzenden eingerichtetes "Wahlvorstandsbüro" stellt keine "geeignete, den Wahlberechtigten zugängliche Stelle" für den Aushang des Wahlausschreibens gem. § 3 Abs. 4 WO dar.
2 Auch die postalische Übersendung des Wahlausschreibens an die Mitarbeiter genügt nicht den Anforderungen des § 3 Abs. 4 WO.
3 Ein Verstoß gegen § 3 Abs. 4 WO führt zur Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl (BAG NZA 2004, 1285 ff.).
4 Eine Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl wird auch dadurch begründet, dass das Wahlausschreiben die Möglichkeit der persönlichen Stimmabgabe zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort vorsieht, später dann aber allen Wahlberechtigten unverlangt Briefwahlunterlagen zugesandt wurden und in dem zugehörigen Anschreiben der Eindruck erweckt wird, es sei nur schriftliche Stimmabgabe möglich.
Normenkette
BetrVG § 19; WO §§ 2-3, 24
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Entscheidung vom 29.02.2012; Aktenzeichen 4 BV 215/11) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners/Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgericht Bonn vom 29.02.2012 in Sachen 4 BV 215/11 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der im Betrieb der Arbeitgeberin am 25.10.2011 durchgeführten Betriebsratswahl.
Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 4. Kammer des Arbeitsgerichts Bonn dazu bewogen haben, der Anfechtung der Betriebsratswahl vom 25.10.2011 durch die Arbeitgeberin stattzugeben, wird auf die Abschnitte I und II des angegriffenen Beschlusses des Arbeitsgerichts Bonn vom 29.02.2012 Bezug genommen.
Der Beschluss des Arbeitsgerichts wurde dem Antragsgegner/Betriebsrat am 22.03.2012 zugestellt. Der Betriebsrat hat hiergegen am 18.04.2012 Beschwerde eingelegt und diese am 15.05.2012 begründet.
Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht einen Verstoß gegen § 3 Abs. 4 S. 1 der Wahlordnung zum Betriebsverfassungsgesetz angenommen. Es sei aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht zu beanstanden, dass das Wahlausschreiben für die Betriebsratswahl vom 25.10.2011 (nur) in der Privatwohnung des Vorsitzenden des Wahlvorstands ausgehängt worden sei. Die Arbeitgeberin habe dem Wahlvorstand auf dessen Anfrage hin keine Räumlichkeiten als Wahlvorstandsbüro zur Verfügung stellen können. Der Wahlvorstand und die Arbeitgeberin seien daraufhin übereingekommen, das Büro des Wahlvorstands in der Privatwohnung des Wahlvorstandsvorsitzenden einzurichten. Die Arbeitgeberin habe hierfür ein monatliches Nutzungsentgelt in Höhe von50,00 € gezahlt. Durch diese Vereinbarung sei das Büro des Wahlvorstands in den Privaträumen von dessen Vorsitzenden zu einem funktionellen Betriebsteil und zugleich zu einer "geeigneten, den Wahlberechtigten zugänglichen Stelle" im Sinne von § 3 Abs. 4 WO geworden.
In diesem Zusammenhang sei auch das Schreiben der Arbeitgeberin vom 13.07.2011 zu beachten, mit welchem die Arbeitgeberin dem Wahlvorstand die Mitarbeiterlisten übersandt hatte. In diesem Schreiben habe die Arbeitgeberin ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Personallisten vertraulich zu behandeln seien. Der Aushang entsprechender Unterlagen im Büro des Geschäftsführers der Arbeitgeberin hätte gegen das Gebot der Vertraulichkeit verstoßen, da in dem fraglichen Büroraum auch andere Unternehmen als die Arbeitgeberfirma ihren Sitz hätten.
Der Betriebsrat als Beschwerdeführer beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 29.02.2012 in Sachen 4 BV 215/11 aufzuheben und den Antrag der Arbeitgeberin zurückzuweisen.
Die Arbeitgeberin und Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beschwerdegegnerin verteidigt den Beschluss des Arbeitsgerichts, welcher inhaltlich zutreffend sei. Die Beschwerdegegnerin bestreitet mit Nichtwissen, dass das Wahlausschreiben im Privathaus des Wahlvorstandsvorsitzenden ausgehängt worden sei. Jedenfalls handele es sich aber bei dem "Wahlvorstandsbüro" im Privathaus des Wahlvorstandsvorsitzenden ungeachtet der mit ihr getroffenen Nutzungsentgeltvereinbarung nicht um einen Betriebsraum und schon gar nicht um einen jedem Mitarbeiter frei zugänglichen Raum im Sinne von § 3 Abs. 4 S. 1 WO.
Darüber hinaus vertritt die Beschwerdegegnerin die Auffassung, dass bei der Vorbereitung der Betriebsratswahl auch gegen § 2 Abs. 4 WO und gegen§ 24 Abs. 3 WO verstoßen worden sei, was ebenfalls die Wahlanfechtung rechtfertige.
Auf den vollständigen Inhalt der Beschwerdebegründung, der Beschwerdeerwiderung und des weiteren Schriftsatzes des Beschwerdeführers vom 09.08.2012 wird ergänzend Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 18.07.2012 (vgl. Bl. 172 d. A.) hat der in der Wah...