Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtzeitige Versendung des Wahlausschreibens zur Betriebsratswahl im Falle einer Briefwahl
Leitsatz (amtlich)
Entscheidet sich der Wahlvorstand zutreffend zur Übersendung von Briefwahlunterlagen, weil er gem. § 24 Abs. WOBetrVG von der Abwesenheit der wahlberechtigten Arbeitnehmer (hier: Zeitungszusteller) vom Betriebssitz am Wahltage ausgeht, so muss er im Vorfeld das Wahlausschreiben so zeitig übersenden, dass ihnen eine Entscheidung über die aktive Wahlteilnahme möglich ist, wenn nicht sichergestellt ist, dass diesem Personenkreis das Wahlausschreiben überhaupt während der betriebsüblichen Arbeitszeit zugänglich ist. Andernfalls ist die Betriebsratswahl anfechtbar (Anschluss an LAG Hamburg v. 28.03.2007, 5 TaBV 2/07 und BAG v. 29.01.1992, 7 ABR 27/91 Rdnr. 41).
Normenkette
BetrVG § 19; WOBetrVG § 24 Abs. 2; ArbGG § 2a Abs. 1 Nr. 1; WOBetrVG § 24 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Entscheidung vom 14.03.2018; Aktenzeichen 6 BV 37/17) |
Tenor
- Auf die Beschwerde der Gewerkschaft Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 14.03.2018 - 6 BV 37/17 - abgeändert und die Betriebsratswahl vom 12.05.2017 für unwirksam erklärt.
- Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.
Neben der - das ist im Beschwerdeverfahren zwischen den Beteiligten nicht mehr im Streit - im Betrieb vertretenen Gewerkschaft ver.di haben erstinstanzlich die weiteren Beteiligten zu 2., 3. und 4., sämtlichst Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmerinnen der Arbeitgeberin, der Beteiligten zu 6., das Verfahren gerichtet auf Anfechtung einer am 12.05.2017 durchgeführten Betriebsratswahl eingeleitet.
Die Arbeitgeberin erbringt Zustelldienstleistungen insbesondere für eine im ostwestfälischen Raum weit verbreitete Tageszeitung. Ende März 2017 beschäftigte sie insgesamt 170 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, von denen zwei ihren Arbeitsplatz in der von den Beteiligten so bezeichneten Geschäftsstelle in der Nstraße 12 in H haben während die Übrigen als Zusteller arbeiten. Die einzigen Betriebsräumlichkeiten, über die die Arbeitgeberin verfügt, sind ein Flur und zwei Räume (eben die "Geschäftsstelle"). In einem Raum befinden sich drei Schreibtische, namentlich der des Geschäftsführers sowie der bereits bezeichneten zwei weiteren Mitarbeiter sowie ein knapp über 9 Quadratmeter großer Besprechungsraum, der mit einem Tisch, vier Stühlen, einer Ablage sowie einem Kopierer ausgestattet ist.
Die 168 Zustellerinnen bzw. Zusteller verrichten ihre Tätigkeit morgens zwischen 1.00 Uhr und 6.00 Uhr; aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen sind sie gehalten, die zuzustellenden Tageszeitungen bis 6.00 Uhr morgens zum Kunden zu bringen. Während dieser Arbeitszeiten ist die Geschäftsstelle geschlossen.
Anfang des Jahres 2017 waren bei der Arbeitgeberin Betriebsratswahlen durchzuführen, da die Belegschaft - wie mit den Beteiligten im Termin zur Anhörung vor der Beschwerdekammer erörtert - über ein Maß gewachsen war, welches die Neuwahl eines Betriebsrates erforderlich machte. Der eingesetzte Wahlvorstand erließ unter dem 24.03.2017 ein Wahlausschreiben. Hierin war u.a. vermerkt, dass die Wählerliste "zur Einsichtnahme" im Raum der M, Erdgeschoss, ausliege. Nach übereinstimmendem Verständnis der Beteiligten handelt es sich hierbei um die sogenannte "Geschäftsstelle". Daneben enthielt das Wahlausschreiben als Einspruchsfrist gegen die Wählerliste den 07.04.2017, 15.00 Uhr, Angaben zur Größe des zu wählenden Betriebsrates, sowie zur Geschlechterverteilung. Ebenso wurde die Frist für den Eingang von Wahlvorschlägen auf den 07.04.2017, 15.00 Uhr, festgesetzt und als Zeitpunkt der Stimmabgabe der 12.05.2017. Als Ort zur Stimmabgabe wurde das "Besprechungszimmer Erdgeschoss, Nstr. 12, H" angegeben, ebenso für den Ort der Stimmauszählung. Ausweislich des auf dem Wahlausschreiben angebrachten "Vermerk des Wahlvorstands" fanden der Aushang am 24.03.2017 und eine Kontrolle am 31.03.2017 statt. Wegen der Einzelheiten des Wahlausschreibens wird auf die Kopie Bl. 7 bis 12 d.A. Bezug genommen.
Ebenfalls am 24.03.2017 erfolgte auf einem Deckblatt, das sich auf dem Stapel der zuzustellenden Zeitungen befindet und das u.a. auch Besonderheiten für die Zustellungen als Einzelanweisung beinhaltet, folgender Hinweis:
"Liebe Kolleginnen und Kollegen,
zum heutigen Freitag den 24.03.2017 hat der Wahlvorstand das Wahlausschreiben zur Betriebsratswahl in der M GmbH erlassen und ausgehängt. Alle Wahlunterlagen liegen zur Einsichtnahme von Mo - Fr 9.00 bis 15.00 Uhr in folgenden Räumen aus:
- Büro der M GmbH, Nstraße 12, H, Besprechungszimmer Erdgeschoss."
Darüber hinaus waren eine Telefonnummer des Wahlvorstandes und dessen Erreichbarkeitszeiten angegeben. Auf die Kopie Bl. 66 d.A. wird Bezug genommen.
Mit Poststempel vom 05.05.2017 (Freistempler "FRANKIT") übersandte der Wahlvorstand an die Zeitungszusteller sowohl das Wahlausschreiben, als auch Stimmze...