Verfahrensgang

ArbG Bonn (Beschluss vom 14.12.1994; Aktenzeichen 2 Ca 2439/94)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Rechtswegbeschluß des Arbeitsgerichts Bonn vom 14. Dezember 1994 aufgehoben. Es wird festgestellt, daß der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben ist.

2. Die sofortige weitere Beschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I. Die Klägerin erhebt gegen den Beklagten Kündigungsschutzklage u.a. mit dem Antrag

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten frühestens am 31.08.1994 beendet werden kann.

Darüber hinaus stellt sie einen Weiterbeschäftigungsantrag sowie einen Antrag auf Zahlung von tariflichen Gehältern für die Monate Juni und Juli 1994.

Zugrunde liegt eine Vereinbarung der Parteien, wonach die Klägerin für das Maklerbüro des Beklagten Telefonakquisition in dessen Geschäftsräumen betreiben sollte.

Die Klägerin hält das dadurch zustande gekommene Vertragsverhältnis für ein Arbeitsverhältnis und mithin den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für gegeben. Zur Begründung weist sie darauf hin, sie habe mit dem Beklagten ein Angestelltenverhältnis gegen ein mtl. Gehalt von 3.000,– DM brutto zuzüglich 10 % Provision vereinbart gehabt und sei weisungsgebunden tätig geworden. Außerdem sei eine Arbeitszeit von 9.00 bis 17.00 Uhr sowie die Tatsache vereinbart worden, daß der Beklagte ihr Vorgesetzter habe sein sollen. Gegenstand der Vereinbarung sei auch ein „tariflicher Urlaub” gewesen. Neben ihren Hauptaufgaben habe sie auf Weisung des Beklagten für die Fertigung von Kopien, Kaffee kochen u.a. zur Verfügung stehen müssen. Auch habe sie ihr Versicherungsnachweisheft abgegeben und sei bei dieser Gelegenheit vom Beklagten darauf hingewiesen worden, sie möge auch ihre Lohnsteuerkarte einreichen.

Der Beklagte hält den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht für gegeben, weil die Klägerin nicht Arbeitnehmerin gewesen sei, sondern freie Mitarbeiterin. Insoweit bestreitet er das tatsächliche Klagevorbringen.

Das Arbeitsgericht Bonn hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen verneint und den Rechtsstreit an das „sachlich zuständige” Amtsgericht verwiesen. Der Beschluß wurde der Klägerin am 02.01.1995 zugestellt. Gegen ihn richtet sie die vorliegende sofortige Beschwerde, die am 16.01.1995 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist. Beide Parteien verfolgen ihre erstinstanzlichen Rechtsstandpunkte weiter.

 

Entscheidungsgründe

II. Über die sofortige Beschwerde war vom Landesarbeitsgericht gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter zu entscheiden (BAG, Beschluß vom 10.12.1992 – 8 AZB 6/92).

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 3

GVG an sich statthaft und zulässig. Sie ist fristgerecht (§ 577 Abs. 2 ZPO) eingelegt worden.

Sie hatte auch in der Sache Erfolg. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist zulässig, ohne daß es auf die Frage ankommt, ob die Klägerin mit ihrer Rechtsbehauptung, Arbeitnehmerin zu sein, Recht hat. Die Klägerin erhebt nämlich ausdrücklich und erklärtermaßen eine Feststellungsklage, mit der die Fortdauer eines „Arbeitsverhältnisses” festgestellt werden soll. Hierzu sind allein die Arbeitsgerichte berufen. Ein ordentliches Gericht kann nicht die Fortdauer eines „Arbeitsverhältnisses” feststellen. Rechtlich folgt dies aus § 4 S. 1 KSchG: Danach ist nämlich eine Kündigungsschutzklage „beim Arbeitsgericht” zu erheben. Der Klägerin, die ausdrücklich und nur eine arbeitsrechtliche Kündigungsschutzklage erheben will, würde der Rechtsschutz verweigert, wenn sich gerade das Gericht, das ihr das Gesetz benennt, für nicht zuständig erklären würde. Demgemäß kam auch nicht das Amtsgericht das zuständige Gericht sein, weil es nicht über Bestehen oder Nicht-Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zu befinden hat und damit auch nicht über dessen Fortdauer.

Was für eine auf das KSchG gestützte Kündigungsschutzklage gilt, muß auch vor Erfüllung seiner Wartezeit gelten, sofern ausdrücklich die Fortdauer eines „Arbeitsverhältnisses” zur Überprüfung gestellt wird.

In diesem Licht muß zwangsläufig § 2 Abs. 1 Nr. 3 b ArbGG ausgelegt werden:

Es liegt eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit „über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses” vor. Aber auch die in Nr. 3 a.a.O. vorangeschickte Voraussetzung – daß es sich nämlich um eine Rechtsstreitigkeit „zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern” handeln muß, ist als erfüllt zu unterstellen. Dies ist nämlich im Falle einer echten, auf das KSchG gestützten Kündigungsschutzklage mit dem Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG auch dann anzunehmen, wenn sich der Streit der Parteien auch um den Status des Klägers dreht. In solchem Fall muß für die Frage des Rechtsweges die bloße, im Falle des Bestreitens zu substantiierende Rechtsbehauptung des Klägers genügen. Zumindest bei ausdrücklichen Kündigungsschutzstreiten ist deshalb bei Prüfung der Eingangsvoraussetzung („zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern”) nicht an die objektiven Verhältnisse anzuknüpfe...

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