Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustimmung des Arbeitsgerichts zu einer Kündigung eines Wahlbewerbers und Wahlvorstandsmitglieds bei einer erstmaligen Betriebsratswahl im zuvor betriebsratslosen Betrieb. Fortführung des Zustimungsersetzungsverfahrens nach der Wahl nach Einholung der Zustimmung des (neuen) Betriebsrats mit geändertem Verfahrensantrag. Unzulässigkeit des Zustimmungsersetzungsverfahrens ohne Anhörung des neu existierenden Betriebsrats
Leitsatz (amtlich)
Wird in einem zuvor betriebsratslosen Betrieb erstmalig ein Betriebsrat gewählt, ist zunächst für die beabsichtigte Kündigung eines Wahlbewerbers und Wahlvorstandsmitglieds die Zustimmung des Arbeitsgerichts einzuholen. Ist der Betriebsrat gebildet und die betreffende Person zum Betriebsratsmitglied gewählt, ist zunächst die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen, danach kann das Beschlussverfahren mit geändertem Antrag fortgeführt werden.
Ohne Anhörung des neu existierenden Betriebsrats wird der Zustimmungserteilungsantrag unzulässig, einem Zustimmungsersetzungsantrag fehlt der Zustimmungsverweigernde Beschluss des Betriebsrats.
Normenkette
KSchG § 15; BetrVG § 103
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Entscheidung vom 29.08.2018; Aktenzeichen 4 BV 83/17) |
Tenor
Die Anträge der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 29.08.2018 - 4 BV 83/17 - werden zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten im Beschwerdeverfahren um die Erteilung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 2, hilfsweise um die Ersetzung der Zustimmung des Beteiligten zu 3 zu dieser beabsichtigten Kündigung.
Die Antragstellerin (Arbeitgeberin) betreibt ein Unternehmen zur Kommissionierung, Verladung und Verkauf von Obst, Gemüse und Blumen. Der Beteiligte zu 2 ist bei ihr seit dem 01.05.2005 als Wareneingangskontrolleur mit einer monatlichen Bruttovergütung von 4.000,00 EUR beschäftigt. Bei der Arbeitgeberin war bis zum Jahr 2017 kein Betriebsrat gebildet. Der Beteiligte zu 2. war Vorsitzender des am 15.11.2017 gewählten Wahlvorstands zur ersten Betriebsratswahl. Er wurde bei der am 20.03.2017 durchgeführten Betriebsratswahl als Mitglied des Betriebsrats gewählt. Das Wahlergebnis wurde am 27.03.2018 bekannt gegeben. Der Beteiligte zu 2 ist nunmehr Vorsitzender des Betriebsrats.
Beteiligter zu 3 ist der Betriebsrat der Arbeitgeberin, der erst im Beschwerdeverfahren durch Beschluss vom 28.11.2018 am Verfahren beteiligt wurde.
Die Arbeitnehmer arbeiten bei der Arbeitgeberin in Wechselschicht, bestehend aus Früh-, Mittel- und Spätschicht. Zudem wird bei der Arbeitgeberin auch am Samstag und Sonntag gearbeitet. Dazu sind die Arbeitnehmer innerhalb ihres jeweiligen Tätigkeitsbereichs (hier "bio") drei verschiedenen Farbgruppen zugeordnet. Dies bewirkt, dass je nach Farbzuordnung ein Arbeitnehmer an jedem dritten Wochenende zur Arbeit eingeteilt ist. Ein Tausch der Wochenenddienste untereinander ist mit Zustimmung des Vorgesetzten unproblematisch möglich. Der Tausch hat zur Folge, dass sich lediglich die Lage des Wochenenddienstes verändert, insgesamt aber die Anzahl der geleisteten Wochenenddienste gleich bleibt. Im Urlaubsfall erfolgt die Wochenendvertretung durch die Kollegen ohne Ausgleich, es muss also nicht an einem anderen Wochenende nachgearbeitet werden. In den Schulsommerferien 2017 hatte der Beteiligte zu 2 aufgrund Urlaubs seiner Kollegen an jedem zweiten Wochenende Dienst für diese ohne Ausgleich durchgeführt.
Die Arbeitgeberin hat vor der Installierung des Betriebsrats die Urlaubsplanung in der Weise durchgeführt, dass die Arbeitnehmer zum Ende des Vorjahres Urlaubswünsche für das kommende Jahr einreichen müssen. Auf dem Antragsschein, der mit "Urlaubswunsch 2017" überschrieben war, waren sieben Punkte aufgeführt, die bei den Urlaubswünschen zwingend zu beachten waren. Unter Punkt 4 war angegeben, dass in der Woche vom 16. bis zum 24.12.2017 Urlaubssperre sei.
Der Beteiligte zu 2 beantragte unter anderem Urlaub für den Zeitraum vom 02. bis 17.12.2017, wobei der 16. und 17.12. auf ein Wochenende fielen, an dem er dienstplanmäßig zur Arbeit eingeteilt war. Er hatte auch für die Zeit vom 30.09. bis 08.10.2017 Urlaub beantragt. Hinsichtlich dieses Zeitraums wurde er von seinem Vorgesetzten angesprochen, da wegen des hier liegenden Zuckerfestes die muslimischen Kollegen häufig Urlaubswünsche haben. Der Beteiligte zu 2 erklärt sich einverstanden, hier keinen Urlaub zu nehmen und den Urlaub stattdessen ab dem 27.12.2017 bis zum 03.01.2018 zu nehmen. Hinsichtlich der Urlaubstage 16. und 17.12.2017 erfolgte bei der Urlaubsplanung kein Gespräch zwischen dem Beteiligten zu 2 und seinem Vorgesetzten.
In dem erstellten Urlaubsplan war der Urlaub für den Beteiligten zu 2 lediglich für die Zeit vom 02. bis 15.12.2017 durch Kreuzchen markiert.
In der Personalakte des Beteiligten zu 2 befindet sich ein von ihm unterschriebener Urlaubsschein für den Zeitraum 02. bis 17.12.2017. Auf diesem Formular ist der Hinweis abgedruckt...