Entscheidungsstichwort (Thema)
PKH für Mehrwert eines Vergleichs ohne ausdrücklichen Antrag/„greifbare Gesetzwidrigkeit”
Leitsatz (amtlich)
Hat eine Partei einen PKH-Antrag gestellt, so ist im Zweifel von ihrem Willen auszugehen, daß dieser Antrag sich auch auf den Mehrwert eines Prozeßvergleichs erstrecken soll, von dem weitere Gegenstände erfaßt werden, die in einem engen sachlichen Zusammenhang mit dem Streitgegenstand stehen.
Normenkette
ZPO § 127 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Köln (Beschluss vom 05.07.1995; Aktenzeichen 15 Ca 1983/95) |
Tenor
Die Beschwerde der Bezirksrevisorin bei dem Landesarbeitsgericht Köln vom 01.09.1995 gegen den PKH-erweiternden Beschluß des Arbeitsgerichts Köln vom 05.07.1995 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. § 127 Abs. 3 ZPO sieht in Fällen wie dem vorliegenden kein Beschwerderecht der Staatskasse vor. Nach herrschender Auffassung (Nachweise bei Baumbach-Lauterbach, ZPO, 53. Aufl. § 127 Rnr. 25) wird der Staatskasse jedoch bei einer sogenannten „greifbaren Gesetzwidrigkeit” ein Beschwerderecht eingeräumt. Dem folgt die erkennende Kammer. Als ein solcher Fall wird auch derjenige angesehen, daß die Bewilligung ohne Antrag erfolgt (vgl. Zöller-Philippi, ZPO., 19. Aufl. Rnr. 33 a; LAG Nürnberg LAGE ZPO § 127 Nr. 18; dagegen OVG Lüneburg, JurBüro 90, 637). In der Entscheidung vom 10.12.1984 hat die 8. Kammer des LAG Köln (8 Ta 175/84, EzA § 127 ZPO Nr. 7) eine solche greifbare Gesetzesverletzung auch dann angenommen, wenn die Partei bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in keiner Weise zum Ausdruck gebracht hat, daß sie Prozeßkostenhilfe auch für den zur Erledigung des Verfahrens unter Abwicklung sonstiger streitiger Ansprüche abzuschließenden Vergleich beantragen wolle. Die 8. Kammer hat in dieser Entscheidung die Beschwerde gleichwohl mit der Begründung zurückgewiesen, auch ohne Stellung eines ausdrücklich formulierten Antrages könne ein bewilligender Beschluß dann nicht als greifbar gesetzwidrig angesehen werden, wenn der Richter aufgrund der gesamten Umstände berechtigterweise von einem stillschweigend gestellten Antrag ausgegangen sei. Dieses nahm die 8. Kammer aufgrund der dienstlichen Äußerung des Vorsitzenden des Arbeitsgerichts an, der darauf hingewiesen hatte, daß während der Vergleichsverhandlungen zum Ausdruck gekommen sei, daß der Vergleich für den Kläger nur akzeptabel sei, wenn er nicht mit eventuellen Mehrkosten hinsichtlich des Mehrvergleichs belastet werde.
Schneider hat in einer Anmerkung zu dieser Entscheidung (a.a.O.) darauf hingewiesen, daß dann, wenn die Möglichkeit einer Gesamtbereinigung der streitigen Beziehungen zwischen den Parteien besprochen werde, es nur um Sachfragen gehe. Sei es nach oft langwierigen, intensive Aufmerksamkeit fordernden Verhandlungen endlich gelungen, beide Parteien in einem Prozeßvergleich zu einigen, dann könne es durchaus geschehen, daß vergessen werde, den letztlich nur formalen Gerichtsbeschluß herbeizuführen, daß die PKH auf die weiteren mitverglichenen Ansprüche erstreckt würden. Davon, daß dies geschehe, gingen andererseits. Gerichte und Anwälte sowie die Partei ohne weiteres aus, da der Hilfsbedürftige anderenfalls im Zweifel dem Vergleichsabschluß nicht zustimmen werde. Diese still schweigende Voraussetzung liegt insbesondere dann nahe, wenn das Gericht selbst den umfassenden Gesamtvergleich anrege und befürworte.
Die 10. Kammer des LAG Köln hat im Beschluß vom 28.02.1990 – 10 Ta 287/89 – daraus den Schluß gezogen, daß sich ein Bewilligungsbeschluß von sich aus schon im Zweifel auf den Mehrwert des Gesamt vergleiches erstrecke. Es sei zu unterstellen, daß die antragstellende Partei wie auch das Gericht stillschweigend von, der Voraussetzung ausgegangen seien, PKH werde auch für den Gesamtgegenstand des Vergleichs bewilligt. Eine abweichende Beurteilung könne nur dann angebracht sein, wenn die Parteien völlig außerhalb der konkreten arbeitsrechtlichen Streitigkeit liegende Streitgegenstände von hohem Gegenstandswert mitverglichen hätten.
Die Vorsitzende Richterin der 15. Kammer des Arbeitsgerichts Köln hat auf Antrage der erkennenden Kammer mitgeteilt, daß besondere Umstände, wie sie in der zitierten Entscheidung der 8. Kammer des LAG Köln angesprochen wurden und aus denen die 8. Kammer ausnahmsweise die stillschweigende Erstreckung des PKH-Antrages auf den Mehrwert geschlossen hatte, nicht vorgelegen hätte.
Die erkennende Kammer folgt jedoch der von Schneider und im Anschluß daran auch von der 10. Kammer des erkennenden Gerichts vertretenen Ansicht, daß im Zweifel stets davon auszugehen ist,(daß die Parteien, die bereits einen PKH-Antrag gestellt haben, bei Verhandlungen über einen Vergleich, der auch weitere Streitgegenstände umfaßt, grundsätzlich den Prozeßkostenhilfeantrag auf diesen Mehrwert erstreckt haben wollen. Auch wenn dies das grundsätzliche Erfordernis einer ausdrücklichen Antragstellung nicht beseitigt, so vermag die Kammer jedoch dann, wenn das Arbeitsgericht in einem solchen Fall die...