Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an das Verfahren vor Abhebung der Prozesskostenhilfe wegen fehlender Mitwirkung im Nachverfahren. Wirksamkeit der Zustellung der Aufforderung zur Abgabe einer Erklärung nach § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO a.F. an den Antragsteller persönlich
Leitsatz (amtlich)
1. Die Aufforderung zur Abgabe einer Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO aF mit Fristsetzung sowie weitere Erinnerungen mit Fristsetzung sind dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers förmlich zuzustellen, wenn er ihn bereits im Bewilligungsverfahren vertreten hat.
2. Die fehlende Zustellung lässt sich auch nicht nach § 189 ZPO heilen. Voraussetzung hierfür ist der Zustellungswille, der sich in einer Anordnung oder einem Zustellauftrag, nicht indes in der formlosen Übermittlung ablesen lässt.
3. Der Hinweis des Arbeitsgerichts, dass die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufgehoben werde, wenn die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht abgegeben werde, ist inhaltlich unzutreffend. Die Nutzung des amtlichen Vordrucks ist der Partei in der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Rechtslage nach § 117 Abs. 3 ZPO aF freigestellt.
Normenkette
ZPO a.F. § 124 Nr. 2; ZPO § 329 Abs. 2 S. 2, § 189
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Entscheidung vom 06.05.2015; Aktenzeichen 3 Ca 4717/13) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Aufhebungsbeschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 6. Mai 2015 - 3 Ca 4717/13 h - aufgehoben.
Gründe
I.
Die Klägerin - geschieden und Mutter eines kindergeldberechtigten Sohns - hat anwaltlich vertreten auf ihre Kündigungsschutzklage vom 25. November 2013 am 9. Januar 2014 eine Abfindungsvergleich abgeschlossen. In diesem Termin wurde ihr unter Beiordnung der Bevollmächtigten Prozesskostenhilfe auf ihren Antrag vom 25. November 2013 ohne Ratenzahlung bewilligt.
Ein Anschreiben vom 12. Februar 2015 an die Klägerin und in Abschrift zur Kenntnis und "ggf. weiteren Veranlassung" an ihre Bevollmächtigte, das nicht förmlich zugestellt wurde, enthielt die Aufforderung, den übersandten Vordruck nebst Anlagen erneut binnen zwei Wochen ausgefüllt zurückzusenden. Andernfalls werde die Prozesskostenhilfebewilligung aufgehoben. Sollten sich die Einkommensverhältnisse nicht verbessert haben, bleibe es bei der Bewilligung.
Am 16. März 2015 wurde die Klägerin allein an die Erledigung erinnert.
Mit Beschluss vom 6. Mai 2015, der Bevollmächtigten am 12. Mai 2015 zugestellt, hob die zuständige Rechtspflegerin den Bewilligungsbeschluss wegen Verstoßes gegen Mitwirkungspflichten auf.
Hiergegen wendet sich die sofortige Beschwerde vom 11. Juni 2015. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde am 19. August 2015 nicht abgeholfen.
II.
Der sofortigen Beschwerde war abzuhelfen, denn sie war zulässig und begründet. Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG iVm. § 127 Abs. 2 Satz 2, 3, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 11a Abs. 1 ArbGG statthafte sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Prozesskostenhilfe gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO aF iVm. § 11a Abs. 1 ArbGG lagen nicht vor.
1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, sie ist insbesondere ausreichend als solche bezeichnet, § 569 Abs. 2, § 571 Abs. 1 ZPO. Die fehlende Begründung steht der Zulässigkeit nach § 571 Abs. 1 ZPO nicht entgegen ("soll begründet werden"; Zöller/Heßler ZPO 31. Aufl. § 571 Rn. 1).
2. Die sofortige Beschwerde ist auch begründet. Die Aufhebungsentscheidung ist rechtswidrig und daher aufzuheben.
a) Das Überprüfungsverfahren richtet sich im vorliegenden Verfahren aufgrund § 40 Satz 1 EGZPO nach §§ 120, 124 ZPO idF vom 5. Dezember 2005. Die Klägerin hat vor dem 1. Januar 2014 für einen Rechtszug Prozesskostenhilfe beantragt, so dass für diesen Rechtszug weiterhin die §§ 114 bis 127 ZPO in der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden sind.
b) Die Aufhebungsentscheidung beruht schon auf einem fehlerhaften Verfahren. Das macht die Aufhebungsentscheidung rechtswidrig. Für eine Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung nach § 124 Nr. 2 ZPO aF ist es erforderlich, dass der Aufhebungsentscheidung des Arbeitsgerichts ein von ihm formal ordnungsgemäß durchgeführtes Verfahren zugrunde liegt. Ist das nicht der Fall, verbleibt es bei der ursprünglichen Bewilligung (LAG Hamm 23. März 2015 - 14 Ta 121/15 -; 20. September 2013 - 14 Ta 160/13 -).
aa) Die Aufforderung zur Abgabe einer Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO aF mit Fristsetzung sowie weitere Erinnerungen mit Fristsetzung sind dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers förmlich zuzustellen, wenn er ihn bereits im Bewilligungsverfahren vertreten hat. Die nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO aF vorgesehene gerichtliche Aufforderung an die Partei, sich in einer Frist darüber zu erklären, ob eine Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten ist, muss gemäß § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO analog dem Bevollmächtigten zugestellt werden. Fehlt die Zustellung, hat das die ersatzlose Aufhebung des Beschlusses, mit dem die bewilligte Prozesskostenh...