Entscheidungsstichwort (Thema)
PKH. Rechtskraft. PKH-Beschwerde
Leitsatz (amtlich)
1. § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO steht der durch § 571 Abs. 2 S. 1 ZPO eröffneten Möglichkeit nicht entgegen, in der Beschwerdeinstanz neue Tatsachen vorzutragen, Belege nachzureichen usw. § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO ist insoweit nicht lex specialis.
2. Reicht die Beschwerdeeinstanz allerdings über das Ende der Instanz in der Hauptsache hinaus, bleibt der Grundsatz zu beachten, dass in der Regel bei Ende der Hauptsacheinstanz ein bewilligungsreifer Prozesskostenhilfeantrag vorgelegen haben muss.
3. Eine ablehnende Prozesskostenhilfeentscheidung erwächst nicht in Rechtskraft. Solange die Hauptsacheinstanz nicht beendet ist, kann daher erneut ein auf neue Tatsachen und Belege gestützter Prozesskostenhilfeantrag gestellt werden.
Normenkette
ZPO §§ 118, 571
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Beschluss vom 29.04.2008; Aktenzeichen 5 Ca 303/08) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin hin wird der Prozesskostenhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 29.04.2008 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 30.05.2008 abgeändert:
Der Klägerin wird Prozesskostenhilfe in vollem Umfang mit Wirkung ab dem 30.05.2008 unter Beiordnung von Rechtsanwalt Saus Ümit der Maßgabe bewilligt, dass die Klägerin aufgrund ihrer glaubhaft gemachten derzeitigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse derzeit keinen eigenen Beitrag zu den Kosten zu leisten hat.
Gründe
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Prozesskostenhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 29.04.2008 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 30.05.2008 ist zulässig und begründet.
1. Die Beschwerdefrist in Prozesskostenhilfesachen beträgt entgegen der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung des Arbeitsgerichts gemäß § 127 Abs. 2 S. 3 ZPO einen Monat. Die Beschwerdefrist ist gewahrt.
2. Die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe an die Klägerin liegen vor.
a. Die Klage hat in der Hauptsache „hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 114 S. 1 ZPO.”
b. Die glaubhaft gemachten derzeitigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin rechtfertigen die Gewährung ratenfreier Prozesskostenhilfe. Die Einkommenssituation stellt sich gegenwärtig wie folgt dar: Von dem Nettoeinkommen der Klägerin in Höhe von insgesamt 1.394,24 EUR sind der Selbstbehalt für die eigene Person der Antragstellerin in Höhe von 382,00 EUR, die Freibeträge für die beiden Kinder in Höhe von je 267,00 EUR, der Arbeitnehmerfreibetrag in Höhe von 174,00 EUR sowie glaubhaft gemachte Wohnkosten in Höhe von 475,00 EUR in Abzug zu bringen. Rechnerisch verbleibt somit kein einsetzbares Einkommen der Klägerin.
3. Die Begründung, mit welcher das Arbeitsgericht der Klägerin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe verweigert hat, ist rechtsirrig.
a. Zwar trifft es zu, dass die Klägerin ursprünglich eine nicht in jeder Hinsicht vollständig ausgefüllte Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht hatte. Mit Verfügung vom 23.01.2008 hatte das Arbeitsgericht somit zu Recht die Vervollständigung der formularmäßigen Angaben über die „Bruttoeinnahmen” verlangt und darüber hinaus bestimmte Belege angefordert und hierfür eine Frist gesetzt, die die Klägerin nicht eingehalten hat.
b. Allerdings hat die Klägerin die angeforderten Belege mit Schriftsatz vom 28.03.2008 zu einem Zeitpunkt eingereicht, als das Arbeitsgericht über den Prozesskostenhilfeantrag noch nicht entschieden hatte.
c. Eine vom Arbeitsgericht gesetzte Frist im Sinne des § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO stellt weder eine Ausschlussfrist, noch gar eine Notfrist dar (z. B. Zöller/Philippi, ZPO, 26. Auflage, § 118 Rdnr. 17 a m. w. N.). Die Angaben und Belege aus dem Schriftsatz vom 28.03.2008 waren bei Erlass der Prozesskostenhilfeentscheidung durch das Arbeitsgericht am 28.04.2008 somit zwingend zu berücksichtigen.
d. Richtig ist allerdings, dass die Klägerin auch mit dem Schriftsatz vom 28.03.2008 noch nicht in der vom Arbeitsgericht gewünschten Weise klar- gestellt hatte, ob sie über keine weiteren „Bruttoeinnahmen” als über Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit und Kindergeld verfügte.
aa. Diese Vervollständigung der Angaben ihrer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 15.01.2008 hatte die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 28.03.2008 offensichtlich übersehen. Allerdings heißt es in dem Schriftsatz: „Sollte das Gericht die Vorlage weiterer Unterlagen zum Prozesskostenhilfeantrag für erforderlich halten, bitten wir höflich um einen Hinweis des Gerichts.” Es spricht vieles dafür, dass das Gericht in Anbetracht dieser Bitte und in Anbetracht des Umstands, dass die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 28.03.2008 ersichtlich bemüht war, die vom Gericht gesetzten Auflagen über die Vervollständigung der Prozesskostenhilfeunterlagen zu erfüllen, gehalten gewesen wäre, die Klägerin nochmals auf die noch fehlenden Angaben hinzuweisen.
bb. Dies kann jedoch letztlich dahingestellt bleiben; denn jede...