Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksamkeit der Wahl der Schwerbehindertenvertretung wegen Verletzung der Öffentlichkeit bei der Öffnung der Freiumschläge für die Briefwahl. Anforderungen an die Herstellung der Öffentlichkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Mängel der Herstellung der Öffentlichkeit bei der Öffnung der Freiumschläge für die Briefwahl

 

Leitsatz (redaktionell)

Ist ausschließlich schriftliche Stimmenabgabe für die Wahl zur Schwerbehindertenvertretung angeordnet, so muss der Wahlvorstand, um dem Erfordernis der Öffentlichkeit zu genügen, rechtzeitig Ort und Zeit der in § 12 Abs. 1 SchwbVWO geregelten Behandlung der schriftlich abgegebenen Stimmen bekanntgeben. Die Öffnung der Freiumschläge und die weitere in § 12 Abs. 1 S. 1 SchwbVWO geregelte Behandlung der schriftlichen Stimmabgaben in öffentlicher Sitzung gehört zu den wesentlichen Wahlvorschriften (BAG - 7 ABR 83/11 - 10.07.2013). Diesen Vorschriften über die Herstellung der Öffentlichkeit ist nicht genügt, wenn nach der Wahlausschreibung die Öffnung der Freiumschläge zur Auszählung der Stimmen und zur Feststellung des Wahlergebnisses "in den Räumen des Betriebsrats/Wahlvorstandes" stattfinden soll, sofern sich dort mehrere Räume befinden, die dem Betriebsrat zur Verfügung stehen.

 

Normenkette

SGB IX § 94 Abs. 6

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 09.09.2015; Aktenzeichen 13 BV 365/14)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 4. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 09.09.2015- 13 BV 365/14 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor lautet:

Die Wahl der Vertrauensperson vom 28.11.2014 wird für unwirksam erklärt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Wahl der Schwerbehindertenvertretung bei der Beteiligten zu 5.), die am 28.11.2014 stattfand.

Die Antragsteller (Beteiligte zu 1. - 3.) sind eine Arbeitnehmerin und zwei Arbeitnehmer der Beteiligten zu 5.), die aufgrund ihrer Schwerbehinderung wahlberechtigt zur Wahl der Schwerbehindertenvertretung sind.

Die Beteiligte zu 5.) ist ein Zeitungszustellungsbetrieb des Verlages M D S . Durch Verschmelzung der Zustellbetriebe R R -B GmbH sowie der Schwestergesellschaft R K (r )/L GmbH auf die Beteiligte zu 5.) war die Neuwahl der Schwerbehindertenvertretung erforderlich geworden. Dafür waren 119 Arbeitnehmer wahlberechtigt.

Vor der Verschmelzung existierten in allen drei Zustellbezirken ein Betriebsrat und eine Schwerbehindertenvertretung. Der Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung der Beteiligten zu 5.) übernahmen das Übergangsmandat, da die Beteiligte zu 5.) ursprünglich den größten Betrieb bildete.

In Betriebsversammlungen vom 30.08.2014 und 08.11.2014 wurde auf die Wahl hingewiesen.

Der Wahlvorstand bestand aus der jetzigen Beteiligten zu 4.), Frau A G -R als Vorsitzender, Herrn K S als Stellvertreter sowie Herrn J K . Die Beteiligten streiten darüber, ob auch ein Ersatzmitglied bestimmt worden ist. Die Beteiligte zu 4.) hat dazu vorgetragen, Frau R L sei am 25.09.2014 von ihr, der Beteiligten zu 4.), als Ersatzmitglied bestimmt worden.

Am 08.10.2014 erließ der Wahlvorstand das Wahlausschreiben. Wegen dessen genauen Inhalts wird auf Blatt 17 ff. der Akten Bezug genommen.

Dort findet sich unter 8. die Regelung:

"Die öffentliche Sitzung des Wahlvorstandes zur Öffnung der Freiumschläge, zur Auszählung der Stimmen und Feststellung des Wahlergebnisses findet statt am

28.11.2014, ab 15:00 Uhr,

in den Räumen des Betriebsrates/Wahlvorstandes, A S , 5 K ."

Des Weiteren fand sich unter Ziffer 6. die Regelung:

"Wir bitten die Wahlberechtigten, innerhalb von zwei Wochen seit dem Erlass dieses Wahlausschreibens, also spätestens am 22.10.2014 schriftliche Wahlvorschläge beim Wahlvorstand einzureichen. Nach diesem Termin eingehende Wahlvorschläge können nicht berücksichtigt werden."

Ebenfalls wird in dem Wahlausschreiben unter Ziffern 5. und 6. darauf hingewiesen, dass die Vertrauensperson und drei stellvertretende Mitglieder zu wählen sind und dass Vertrauensperson und stellvertretende Mitglieder in zwei getrennten Wahlgängen gewählt werden (Ziffer 5.).

Das Wahlausschreiben wurde auf dem Verlagsgelände in Köln, A S sowie der Geschäftsstelle der ehemaligen R R -B GmbH in B -G ausgehängt.

Im "Extrablatt" erfolgte eine Kurzmitteilung über die Wahl. Dieses wurde am 12.10.2014 gemeinsam mit den Lohnabrechnungen an die Mitarbeiter versandt. Darin wurde auf den Wahltermin vom 28.11.2014 und auf den Umstand verwiesen, dass es bereits einen Wahlvorstand gebe.

Es war die generelle schriftliche Stimmenabgabe beschlossen worden. Die Briefwahlunterlagen gingen den Wahlberechtigten am 10./11.11.2014 postalisch zu. Laut Wahlausschreiben endete die generelle schriftliche Stimmenabgabe am 28.11.2014, 15:00 Uhr.

Am 28.11.2014 hielten sich ab 14:15 Uhr die Beteiligte zu 1.), Frau B C , Herr D H , und Frau R L sowie die Beteiligte zu 4.) und das Mitglied des Wahlvorstandes Herr S im Büro des Betriebsrats auf. Die Beteiligten streiten insbesondere über die Frage, ob be...

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