Entscheidungsstichwort (Thema)
Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung bei Erhebung einer weiteren Klage anstatt einer Klageerweiterung
Leitsatz (amtlich)
Rechtsfolge einer mutwilligen Erhebung einer weiteren Klage statt einer gebotenen Klageerweiterung ist, dass Prozesskostenhilfe gänzlich zu verweigern ist. Für eine Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beschränkung auf die entstandenen Mehrkosten besteht keine Rechtsgrundlage
Normenkette
ZPO § 114 Abs. 2; ArbGG § 11a Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 08.09.2017; Aktenzeichen 2 Ca 3003/17) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 08.09.2017 (2 Ca 3003/17) wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die gemäß §§ 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, 78 Satz 1 ArbGG zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Arbeitsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zutreffend abgelehnt. Die Voraussetzungen für die Bewilligung liegen nicht vor.
1. Prozesskostenhilfe kann nur bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO i. V. m. § 11 a Abs. 1 ArbGG). Eine Rechtsverfolgung ist mutwillig, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beanspruchen kann, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht (§ 114 Abs. 2 ZPO).
a) Eine anerkannte Fallgruppe der Mutwilligkeit ist diejenige, dass von zwei gleichwertigen prozessualen Wegen der kostspieligere beschritten wird. Regelmäßig ist daher die Anstrengung eines neuen Prozesses statt einer Klageerweiterung mutwillig, es sei denn, für die Erhebung einer zweiten Klage bestehen besondere Gründe (BAG 17.02.2011 - 6 AZB 3/11 - NJW 2011, 1161; BGH 21.11.2013 - III ZA 28/13 - JurBüro 2014, 203; LAG Schleswig-Holstein 03.11.2016 - 1 Ta 116/16 - AGS 2017, 238; Zöller-Geimer, ZPO, 32. Aufl. 2017, § 114 Rn. 34).
b) So liegt der Fall auch hier. Das Arbeitsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass bereits in dem Verfahren 9 Ca 9189/15 ArbG Köln der Klägerin bekannt war, dass die Beklagte B GmbH & Co. KG nicht mehr leistungsfähig war und gegen diese fruchtlos vollstreckt worden war. Als kostengünstigere Möglichkeit hätte es sich daher angeboten, die im Juli 2015 neu eingetragene Komplementärgesellschaft "M GmbH" in das Verfahren einzubeziehen und die Klage entsprechend zu erweitern. Eine neue Klage gegen die Komplementär-GmbH führt nicht zuletzt mit Rücksicht auf § 12 a ArbGG zu höheren Kosten.
Die Klägerin hat auch keine nachvollziehbaren Gründe dargelegt, aus welchem Grund eine Klageerweiterung zu damaligen Zeitpunkt nicht vorzugswürdig gewesen wäre und ungeachtet der Mehrkosten eine neue Klage angestrengt werden musste. Insbesondere ist nicht geltend gemacht, dass die Komplementär-GmbH zum damaligen Zeitpunkt über keine Vermögenswerte verfügte.
2. Rechtsfolge der Mutwilligkeit (§ 114 Abs. 2 ZPO) ist, dass für die Klage Prozesskostenhilfe gänzlich zu verweigern ist (BAG 17.02.2011 a. a. O. Rn. 12; LAG Schleswig-Holstein 03.11.2016 - 1 Ta 116/16 - Nr. 18; LAG Baden-Württemberg, 27.11.2009 - 1 Ta 19/09 - Rn. 6; Groß, Beratungshilfe, Prozesskostenhilfe, Verfahrenskostenhilfe, 13. Aufl. 2015, § 114 Rn. 82).
Soweit in Fällen einer weiteren Klage in der Literatur vereinzelt unter Bezug auf eine analoge Anwendung der gesetzlichen Regelung in § 121 Abs. 3 ZPO gleichwohl eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beschränkung auf die durch die Erhebung der neuen Klage entstandenen "Mehrkosten" für zulässig gehalten wird (Gravenhorst, jurisPR-ArbR 4/2017 Anm. 6) fehlt es bereits an der für eine analoge Anwendung erforderlichen Regelungslücke. Für die Anwaltsbeiordnung hat der Gesetzgeber eine eigenständige Regelung geschaffen. Diese Regelung ist nicht auf die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe übertragbar. Denn § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO enthält eine abschließende Regelung der Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Daraus folgt, dass dann, wenn Mutwilligkeit gegeben ist, die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht teilweise sondern überhaupt nicht möglich ist.
II.
Gegen die Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben (§§ 87 Satz 1 ArbGG, 72 Abs. 2 ArbGG, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 11399474 |
FA 2018, 71 |