Entscheidungsstichwort (Thema)
PKH-Überprüfungsverfahren. Vordruck. steuerfrei gezahlte Spesen kein Einkommen
Leitsatz (amtlich)
1.) Die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung gemäß § 124 Nr. 2 ZPO ist nicht gerechtfertigt, wenn der amtliche Vordruck (§ 117 Abs. 3 ZPO) nicht vorgelegt wird, aber die Angaben der Partei eine Überprüfung der aktuellen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ermöglichen (ebenso LAG Köln v. 23.06.2003 – 3 Ta 115/03 –; LAG Hamm v. 12.04.2010 – 14 Ta 657/09 –).
2.) Spesen, die dem Arbeitnehmer steuerfrei erstattet werden, sind Ausgleich für zusätzlichen arbeitsbedingten Aufwand und daher im Rahmen der Prozesskostenhilfe – ebenso wie im Steuerrecht – nicht als Einkommen zu berücksichtigen (ebenso LAG Köln v. 9.2.2011 – 5 Ta 397/10 –).
Normenkette
ZPO § 124 Nr. 2, § 120 Abs. 4 S. 2, § 117 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Beschluss vom 29.03.2011; Aktenzeichen 6 Ca 3440/08) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 29.03.2011 (6 Ca 3440/08) aufgehoben.
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 12.12.2008 (6 Ca 3440/08) wird teilweise dahingehend abgeändert, dass der Kläger bei einem einzusetzenden Einkommen in Höhe von 593,14 EUR eine monatliche Rate in Höhe von 225,00 EUR ab dem 01.09.2011 zu zahlen hat.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG i. V. m. § 127 Abs. 2 Satz 2 u. 3 ZPO, 11 a Abs. 3 ArbGG, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.
1. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegen nicht vor.
a) Das Gericht kann gemäß § 124 Nr. 2 ZPO i. V. m. § 11 a Abs. 3 ArbGG die Bewilligung von Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei eine Erklärung gemäß § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO nicht abgegeben hat. An dieser Voraussetzung fehlt es zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt, denn der Kläger hat mit seinem Beschwerdeschriftsatz vom 11.04.2011 eine Erklärung zu seinen aktuellen wirtschaftlichen Verhältnissen unter Beifügung der Ablichtung seiner Gehaltsabrechnung zu den Akten gereicht. Es entspricht höchstrichterlicher Rechtsprechung, der sich das Gericht anschließt, dass die Fristen gemäß § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO keine Ausschlussfristen darstellen und die Erklärung gemäß § 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO in der Beschwerdeinstanz nachgeholt werden kann (BAG v. 18.11.2003 – 5 AZB 46/03 – NZA 2004, 1062).
b) Die Erklärung kann auch nicht deshalb unberücksichtigt bleiben, weil der Kläger nicht den amtlichen Vordruck benutzt hat. Eine solche Verpflichtung besteht im Rahmen des Überprüfungsverfahrens gemäß § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO nicht. Die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung gemäß § 124 Nr. 2 ZPO ist nicht gerechtfertigt, wenn die übrigen Angaben eine Überprüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ermöglichen (LAG Köln v. 23.06.2003 – 3 Ta 115/03; LAG Hamm v. 12.04.2010 – 14 Ta 657/09 –). Dies ist durch Vorlage der aktuellen Einkommensnachweise des Klägers der Fall.
2. Aufgrund der von dem Kläger vorgelegten Unterlagen ergibt sich ein einzusetzendes Einkommen in Höhe von 593,14 EUR. Dementsprechend ist die ursprünglich ratenfrei bewilligte Prozesskostenhilfe gemäß §§ 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO, 11 a Abs. 3 ArbGG abzuändern und eine Ratenzahlung anzuordnen.
a) Die Lohnabrechnung des Klägers für März 2011 weist einen Nettoverdienst in Höhe von 1.449,14 EUR aus. Soweit darüber hinaus – steuerfrei – Spesen in Höhe von 432,00 EUR erstattet werden, sind diese steuerfreien Zahlungen nicht zu berücksichtigen. Sie sind vielmehr Ausgleich für zusätzlichen arbeitsbedingten Aufwand, der nicht als steuerpflichtiges Einkommen zählt. Daran hat sich die Einkommensberechnung auch im Rahmen der Prozesskostenhilfe zu orientieren (LAG Köln v. 09.02.2011 – 5 Ta 397/10 –; LAG Köln v. 15.01.2009 – 5 Ta 534/08).
b) Von diesem Nettoentgelt sind gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 b) u. 2 a) ZPO i. V. m. § 11 a Abs. 3 ArbGG der Erwerbstätigenfreibetrag in Höhe von 182,00 EUR sowie der Unterhaltsfreibetrag in Höhe von 400,00 EUR in Abzug zu bringen.
Darüber hinaus sind gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO i. V. m. 11 a Abs. 3 ArbGG an monatlichen Kosten für Unterkunft und Heizung 274,00 EUR abzuziehen. Der Kläger hatte mit seiner Erklärung vom 02.10.2008 eine Mietbescheinigung zu den Akten gereicht, die monatliche Miet- und Nebenkosten in Höhe von 304,18 EUR ausweist, wobei die Grundmiete 199,00 EUR, die Heizkosten 32,00 EUR sowie die übrigen Nebenkosten 73,18 EUR betragen. Die Beträge für Strom und Wasser sind insoweit nicht zu berücksichtigen, denn sie gehören zur allgemeinen Lebenshaltung und sind bereits in dem Freibetrag für das Existenzminimum enthalten (LAG Köln v. 13.07.2010 – 1 Ta 130/10 – m. w. N.). Danach ist der monatliche Betrag für Strom und Wasser heraus zurechnen; mangels konkreter Aufschlüsselung ist der Anteil zu schätzen (in Anlehnung an § 287 Abs. 2 ZPO und § 5 WohngeldVO). Das Ge...