Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsfolgen des Verzichts auf die Verwendung von Wahlumschlägen bei der Betriebsratswahl
Leitsatz (amtlich)
Bei § 11 Abs. 1 Satz 2 WO, wonach die Stimmabgabe bei einer Betriebsratswahl durch Abgabe von Stimmzetteln in den hierfür bestimmten Umschlägen (Wahlumschlägen) erfolgt, handelt es sich um eine wesentliche Wahlvorschrift, die der Wahrung des Wahlgeheimnisses dient. Der Verzicht auf die Verwendung von Wahlumschlägen berechtigt regelmäßig zur Anfechtung der Wahl.
Normenkette
WO § 11 Abs. 1 S. 1, § 12 Abs. 3; BetrVG § 19 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Entscheidung vom 10.04.2019; Aktenzeichen 2 BV 37/18) |
Nachgehend
Tenor
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der am 24.05.2018 bei der Arbeitgeberin durchgeführten Betriebsratswahl.
Die Arbeitgeberin, bei der am 28.03.2018 nach den Feststellungen des Wahlvorstands 275 Frauen und 128 Männer beschäftigt waren, ist als hundertprozentige Tochter des Universitätsklinikums B mit patientennahen Servicedienstleistungen sowie der nichtmedizinischen Versorgung von Patienten beauftragt. Aufgaben des Patienten-Service sind die Sterilgutaufbereitung, Funktions- und Stationsdienste, die Wäscheversorgung, sowie die Pforten- und Empfangsdienste. Die Antragstellerinnen sind Mitglieder der Gewerkschaft Verband der Landesbeamten - Angestellten und Arbeiter Nordrhein-Westfalen (VdLA).
Das Ergebnis der Betriebsratswahlen wurde am 25.05.2018 bekannt gemacht. Auf die Liste 1 (Ver.di) entfielen insgesamt 195 Stimmen. Auf die Liste 2 (VdLA) entfielen insgesamt 69 Stimmen. Wegen des genauen Ergebnisses wird auf Bekanntmachung vom 24.05.2018 (Bl. 76 der Akte) Bezug genommen.
Mit ihrem am 08.06.2018 bei denen Arbeitsgericht Bonn eingereichten Antragsschrift machen die Antragstellerinnen die Ungültigkeit der Wahl geltend. Als Anfechtungsgründe haben sie vorgetragen:
Der VdLA sei über die Bildung des Wahlvorstandes nicht informiert worden. Auf diese Weise sei verhindert worden, dass er gemäß § 16 Abs. 1 Satz 6 BetrVG ein nicht stimmberechtigtes Mitglied in den nur aus Ver.di-Mitgliedern bestehenden Wahlvorstand habe entsenden können.
Das Wahlausschreiben vom 28.03.2019 habe entgegen § 3 Abs. 4 WO nicht an hinreichend dafür geeigneten Stellen in den Sozialräumen der einzelnen Häuser des U ausgehangen. Vom 28.03.2018 habe es an einer zentralen Stelle im Versorgungszentrum ausgehangen, sei aber wegen Platzmangels bereits am 26.04.2018 komplett entfernt worden, ohne bis zum Wahltermin nochmal ausgehängt worden zu sein.
Der Wahlvorstand habe von der VdLA-Wahlvorschlagsliste zu Unrecht sechs Kandidaten gestrichen. Bei fünf Kandidaten habe eine doppelte Kandidatur vorgelegen. Gemäß § 6 Abs. 7 WO hätte der Wahlvorstand diese Personen zu einer Erklärung auffordern müssen, welche Bewerbung aufrechterhalten werde. Dies sei nicht geschehen. Ein weiterer Kandidat sei von der VdLA-Liste gestrichen worden, weil er Ver.di-Mitglied sei.
Im Vorfeld der Wahlen habe die Wahlvorstandsvorsitzende Frau G Briefwahlunterlagen zum Überbringen an die jetzige Betriebsratsvorsitzende H ausgehändigt. Dabei seien auch solchen Arbeitnehmern entgegen § 24 Abs. 1 Satz 1 WO Briefwahlunterlagen ausgehändigt worden, die nicht die Übergabe von Briefwahlunterlagen verlangt hätten. Dabei habe es sich um solche Arbeitnehmer geeignet, die nur dienstfrei gehabt hätten und bei der Wahl ihre Stimme auch persönlich hätten abgeben können. Bei Übergabe der Wahlunterlagen seien sie von Frau H aufgefordert worden, die Liste eins von Ver.di zu wählen. Frau H habe die Briefwahlunterlagen sogleich eingesammelt und dann ohne Registrierung im Wählerverzeichnis in die Wahlurne geworfen.
Die Arbeitnehmerin M habe eigentlich gar nicht wählen wollen. Frau H habe sie jedoch aufgefordert, die Ver.di-Liste anzukreuzen. Während des Wahlvorganges habe sie entgegen § 25 WO neben Frau M gestanden und anschließend die Wahlunterlagen eingesammelt. Die Betriebsratsvorsitzende H habe während des Wahlverfahrens Arbeitnehmerin G angerufen und sie aufgefordert, am 24.05.2018 zu wählen. Für den Fall dass sie dies nicht tun wolle, habe sie ihr angedroht, jede Unterstützung zu entziehen und ihr bei der Behebung ihre Probleme nicht mehr zu helfen.
Bei der Stimmauszahlung hätten sich von den 56 ausgegebenen Briefwahlunterlagen 51 in der Wahlurne befunden. Von den 51 Rücksendungen seien zehn per Post gekommen, die anderen seien eingesammelt worden. Keine Briefwahlrücksendung habe einen Absender ausgewiesen einem Wahlberechtigten zugeordnet werden können. Somit haben jeder Briefwähler am Tag der Wahl erneut wählen können.
Bei der Auszählung der Stimmen habe der Wahlvorstand entgegen 26 Abs. 1 WO die 51 Briefwahlunterlagen nach der Urnenwahl separat ausgezählt. Die an den Wahlvorstand adressierten Briefe...