Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenfestsetzung. Privatgutachten. Beistand
Leitsatz (amtlich)
1.) Die Kosten eines von einer Partei in einem arbeitsgerichtlichen Rechtsstreit eingeholten privaten Sachverständigengutachtens gehören zu den erstattungsfähigen Kosten i. S. d. §§ 103 ff. ZPO, wenn eine verständige und wirtschaftlich vernünftig handelnde Partei die Einholung des Gutachtens ex ante als sachdienlich ansehen durfte.
2.) Dies kommt u. a. dann in Betracht, wenn die Partei aufgrund fehlender eigener Sachkunde besorgen muss, die für sie möglicherweise nachteiligen Feststellungen eines vom Gericht eingeholten Gutachtens nur durch ein Gegengutachten substantiiert und stichhaltig erschüttern zu können.
3.) Zur Anwendung dieser Grundsätze auf den Einzelfall.
4.) Die erstattungsfähigen Kosten eines Privatgutachtens sind auf 120 % der Kosten eines vergleichbaren Gerichtsgutachtens zu begrenzen.
5.) Ein Sachverständiger, der eine Tatsachenfrage begutachten soll, ist kein „Beistand” i. S. v. § 12 a Abs. 1 S. 1 ArbGG.
Normenkette
ZPO §§ 91, 103; ArbGG § 12a
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Beschluss vom 25.08.2009; Aktenzeichen 5 (3) Ca 3091/06) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten hin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 25.08.2009 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 29.10.2009 teilweise abgeändert:
Die vom Kläger an den Beklagten zu erstattenden Kosten werden auf 864,50 EUR festgesetzt.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger.
Gründe
Die zulässige sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 25.08.2009 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 29.10.2009 ist ganz überwiegend begründet. Im Gegensatz zur Ansicht des Arbeitsgerichts ist das Beschwerdegericht davon überzeugt, dass die vom Beklagten erstinstanzlich aufgewandten Kosten für die Einholung des Privatgutachtens des Sachverständigen Dr. R vom 05.02.2008 in die Berechnung der zu erstattenden Kosten des Rechtsstreits mit einzubeziehen sind. Lediglich der Höhe nach waren die erstattungsfähigen Kosten des Privatgutachtens auf 120 % derjenigen Kosten zu begrenzen, die das vom Arbeitsgericht eingeholte Gutachten des Sachverständigen Titze vom 05.11.2007 verursacht haben.
Im Einzelnen:
1. Einer Partei in einem arbeitsgerichtlichen Rechtsstreit entstandene Kosten sind grundsätzlich nur dann im Sinne der §§ 103 ff. ZPO erstattungspflichtig, wenn sie zu den notwendigen Kosten des § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO gezählt werden können.
a. Zu der Frage, wann in einem arbeitsgerichtlichen Rechtsstreit die Kosten eines von einer Partei eingeholten Privatgutachtens zu den erstattungsfähigen Kosten gezählt werden können, hat das Bundesarbeitsgericht folgende Grundsätze aufgestellt: Maßgeblich ist, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die kostenauslösende Maßnahme ex ante – also vor der Beauftragung des Gutachters – als sachdienlich ansehen durfte (BAG vom 20.08.2007 – 3 AZB 57/06 –, NZA 2008, 71). Zu berücksichtigen ist, dass nach der Systematik der ZPO die Einholung von Sachverständigengutachten als Beweismittel dem Gericht obliegt, das gleichzeitig zur Auswahl und Anleitung des Sachverständigen befugt ist. Die Kosten eines Privatgutachtens sind daher nur dann als notwendig anzusehen, wenn trotz dieser Regelung die volle Wahrnehmung der Belange einer Prozesspartei die Einholung eines Privatgutachtens erfordert (BAG, a. a. O.).
b. Ein solcher Fall kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unter anderem dann vorliegen, wenn für die Partei die begründete Besorgnis besteht, das Gericht könne auf der Grundlage eines von ihm selbst eingeholten Gutachtens gegen die Partei entscheiden, und die Partei dem wirkungsvoll nur durch einen substantiierten, privatgutachterlich unterlegten Angriff auf die Stichhaltigkeit des gerichtlich eingeholten Gutachtens begegnen kann (BAG, a. a. O. unter Hinweis auf BVerfG vom 12.09.2005 – 2 BVR 227/05, NJW 2005, 136).
2. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall müssen die vom Beklagten erstinstanzlich aufgewandten Kosten für das Sachverständigengutachten des Dr. R dem Grunde nach als erstattungsfähig angesehen werden.
a. Bekanntlich stritten die Parteien in dem Rechtsstreit hauptsächlich darum, ob die Unterschrift des Beklagte unter dem von ihm handschriftlich verfassten Schriftstück vom 03.06.2004 echt ist und – insbesondere – die vierte Null der Zahl „10.000,00”, die sich auf die Höhe der vereinbarten Abfindung bezog, vom Beklagten geschrieben oder im Wege der Fälschung erst nachträglich in das Schriftstück aufgenommen wurde. Das Arbeitsgericht hatte zum Zwecke der Beweisaufnahme ein Sachverständigengutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Handschriftenvergleich eingeholt. Auf der Grundlage wissenschaftlich basierter Untersuchungsverfahren wie z. B. der stereomikroskopischen und lichttechnischen Betrachtung des Schriftg...