Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermessensausübung. Aussetzung eines Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Berufungsverfahrens. Ermessensentscheidung des Arbeitsgerichts

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Entscheidung nach § 148 ZPO hat das Arbeitsgericht einen Ermessensspielraum, wobei sich das Ermessen in den Grenzen zu halten hat und sich an dem gesetzgeberischen Zweck der Vorschrift auszureichten hat. Dabei eröffnet § 252 ZPO dem Beschwerdegericht nur die Nachprüfung auf Verfahrens- und Ermessensfehler. Das Beschwerdegericht hat lediglich zu prüfen, ob das Arbeitsgericht den Ermessensspielraum überschritten hat oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechender Weise Gebrauch gemacht hat.

2. Bei der Ermessensausübung sind u. a. die Gesichtspunkte der Prozesswirtschaftlichkeit, der Vermeidung widersprüchlicher Entscheidungen und der Beschleunigungsgrundsatz zu berücksichtigen, der in arbeitsrechtlichen Bestandsstreitigkeiten besonders in den Vordergrund tritt.

 

Normenkette

ZPO § 252

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Entscheidung vom 15.04.2013; Aktenzeichen 5 Ca 653/13)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Aussetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 15.04.2013 - 5 Ca 653/13 - wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten ist unbegründet.

I. Die Beschwerde ist zulässig, denn sie ist gemäß § 252 ZPO statthaft und wurde gemäß § 569 Abs. 1, 2 ZPO form- und fristgerecht eingelegt.

II. Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg, denn das Arbeitsgericht hat ohne ersichtlichen Verfahrens- oder Ermessensfehler die Aussetzung des vorliegenden Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem Berufungsverfahren LAG Köln - 10 Sa 724/12 - gemäß § 148 ZPO angeordnet, welches sich im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren (§ 72 a ArbGG) befindet.

1. Gemäß § 148 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreites auszusetzen ist. Zutreffend hat das Arbeitsgericht angenommen, dass das genannte Berufungsverfahren vorgreiflich ist.

a) Voraussetzung für die in einem Kündigungsschutzprozess begehrte Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch eine bestimmte Kündigung nicht aufgelöst ist, ist der Bestand des Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt der mit dieser Kündigung beabsichtigten Beendigung des Rechtsverhältnisses. Mit der Rechtskraft des der Klage stattgebenden Urteils steht fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die angegriffene Kündigung nicht aufgelöst worden ist. Damit ist zugleich entschieden, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Sich widersprechende rechtskräftige Urteile können vermieden werden, wenn das Arbeitsgericht gemäß § 148 ZPO die Entscheidung des Rechtsstreits über die spätere Kündigung so lange aussetzt, bis über die Rechtswirksamkeit der früheren Kündigung rechtskräftig entschieden worden ist (BAG, Beschl. v. 26.06.2008 - 6 AZN 648/07 - m.w.N.).

b) Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch außerordentliche Kündigung vom 27.01.2012, durch ordentliche Kündigung vom 27.04.2012 zum 30.09.2012 und - im Aussetzungsbeschluss mangels Kenntnis nicht berücksichtigt - ein Auflösungsantrag der Beklagten zum 30.09.2012. Sollte eine der dieser beiden Kündigungen wirksam oder der Auflösungsantrag erfolgreich sein, bestünde zum Zeitpunkt der im vorliegenden Verfahren angegriffenen Kündigungen vom 21.02.2013 und 14.05.2013 kein Arbeitsverhältnis der Parteien mehr, so dass die Kündigungsschutzklage schon aus diesem Grund abzuweisen wäre. Das Berufungsverfahren LAG Köln - 10 Sa 724/12 - ist daher vorgreiflich.

2. Die Ermessensausübung durch das Arbeitsgericht ist im Streitfall nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat mit ihrer Beschwerdebegründung keinen Ermessensfehler des Arbeitsgerichts aufgezeigt.

a) Bei der Entscheidung hat das Arbeitsgericht einen Ermessensspielraum, wobei sich das Ermessen in den gesetzlichen Grenzen zu halten hat und sich an dem gesetzgeberischen Zweck der Vorschrift auszurichten hat. Dabei eröffnet § 252 ZPO dem Beschwerdegericht nur die Nachprüfung auf Verfahrens- und Ermessensfehler. Das Beschwerdegericht hat lediglich zu prüfen, ob das Arbeitsgericht den Ermessensspielraum überschritten hat oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechender Weise Gebrauch gemacht hat (LAG Düsseldorf, Beschl. v. 30.07.2012 - 2 Ta 265/12 - m.w.N.). Bei der Ermessensausübung sind u.a. die Gesichtspunkte der Prozesswirtschaftlichkeit, der Vermeidung widersprüchlicher Entscheidungen und der Beschleunigungsgrundsatz zu berücksichtigen, der in arbeitsrechtlichen Bestandsstreitigkeiten besonders in den Vordergrund tritt (BAG, Urt. v. ...

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