Entscheidungsstichwort (Thema)
PKH. Vortäuschen der PKH-Voraussetzungen
Leitsatz (amtlich)
1. Es stellt eine unzulässige vorgenommene Beweiswürdigung dar, wenn das Gericht eine Beweisaufnahme nach Vernehmung nur eines von mehreren für eine entscheidungserhebliche Tatsache benannten Zeugen abbricht, weil der vernommene Zeuge – der als einziger auch von der Gegenpartei benannt war – für sich betrachtet glaubhaft und überzeugend das Beweisthema verneint hat.
2. Ein solches Vorgehen kann auch nicht mit der Überlegung gerechtfertigt werden, die beweisbelastete Partei könne durch die Vernehmung der übrigen Zeugen bestenfalls noch ein non liquet erreichen, denn es kann niemals von vorneherein ausgeschlossen werden, dass sich der Beweiswert einer Zeugenaussage nach Vernehmung weiterer Zeugen in einem ganz anderen Licht darstellt.
3. Der Entzug der PKH nach § 124 Nr. 1 ZPO setzt Täuschungsvorsatz des Antragstellers voraus. Dieser kann nur bejaht werden, wenn auch die Möglichkeit eines Irrtums oder Missverständnisses beim Aufstellen einer sich als objektiv falsch erweisenden Tatsachenbehauptung auszuschließen ist.
Normenkette
ZPO § 124
Verfahrensgang
ArbG Köln (Beschluss vom 14.02.2007; Aktenzeichen 8 Ca 2823/06) |
LAG Köln (Beschluss vom 24.02.2006) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin hin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 14.02.2007 über die Aufhebung der der Klägerin für die erste Instanz bewilligten Prozesskostenhilfe abgeändert:
Es verbleibt bei der Bewilligung von PKH für die erste Instanz gemäß Beschluss des LAG Köln vom 24.02.2006 mit der Maßgabe, dass an Stelle der dort beigeordneten Rechtsanwältin antragsgemäß Rechtsanwalt beigeordnet wird.
Gründe
Die zulässige sofortige Beschwerde gegen den die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die erste Instanz aufhebenden Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 14.02.2007 ist begründet. Die Voraussetzungen für eine nachträgliche Aufhebung der mit Beschluss des LAG Köln vom 24.02.2006 für die erste Instanz bewilligte Prozesskostenhilfe liegen ersichtlich nicht vor.
1. Zu Unrecht stützt das Arbeitsgericht den Aufhebungsbeschluss auf § 124 Nr. 1 ZPO. Nach dieser Norm kann die Bewilligung von Prozesskostenhilfe aufgehoben werden, wenn die hilfsbedürftige Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebende Voraussetzung der hinreichenden Erfolgsaussichten ihrer Rechtsverfolgung nur vorgetäuscht hat. Das Tatbestandsmerkmal des Vortäuschens erfordert somit mindestens bedingten Vorsatz. Hierfür findet sich jedoch bei objektiver Betrachtung kein hinreichend belastbarer Anhaltspunkt.
a. Das Arbeitsgericht stützt seine Entscheidung vom 14.02.2007 über die Aufhebung der bewilligten PKH darauf, dass die Kammer nach Vernehmung des Zeugen G die positive Überzeugung gewonnen habe, dass die Behauptung der Klägerin, die Beklagte sei u. a. in einem Gespräch vom 03.02.2003 in Person des Zeugen G durch ihren damaligen Ehemann über die bestehende Schwerbehinderung informiert worden, „unwahr, offenbar frei erfunden” gewesen sei.
b. Es mag sein – die Beschwerdekammer unterstellt dies –, dass die Aussage des Zeugen G für sich betrachtet stimmig und glaubhaft erscheint und der Zeuge auf die Kammer des Arbeitsgerichts auch einen günstigen, glaubwürdigen Eindruck hinterlassen hat.
c. Gleichwohl durfte das Arbeitsgericht seine Überzeugung davon, welche Parteibehauptungen den Tatsachen entsprechen und welche nicht und welche gar „frei erfunden” sein sollen, nicht allein auf die Vernehmung des Zeugen G stützen. Vielmehr wäre das Arbeitsgericht prozessrechtlich verpflichtet gewesen, die ihm von der Klägerin angebotenen weiteren Beweismittel auszuschöpfen und auch die Zeugen Z und L zu dem von ihm für entscheidungserheblich gehaltenen Beweisthema anzuhören. Indem das Arbeitsgericht die weiteren Beweisantritte der Klägerin zu dem vom Gericht für erheblich gehaltenen Beweisthema nicht beachtet hat, hat es den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt.
d. Es kann nicht von vorneherein ausgeschlossen werden, dass sich die Aussage des Zeugen G nach einer Vernehmung der Zeugen Z und L in einem anderen Licht dargestellt hätte und dass das Arbeitsgericht insgesamt zu einer anderen Beweiswürdigung gelangt wäre. Wenn das Arbeitsgericht meint, aufgrund der Überzeugungskraft der Aussage des Zeugen G käme auch nach einer Vernehmung der Zeugen Z und L ein anderes Beweisergebnis von vornherein gar nicht in Betracht, so liegt darin eine prozessordnungswidrige Vorwegnahme der Würdigung von Aussagen, deren Inhalt und deren Glaubhaftigkeit das Arbeitsgericht ebenso wenig schon jetzt kennen kann, wie es jetzt auch noch nicht in der Lage ist, die Glaubwürdigkeit der nicht vernommenen Zeugen Z und L zu beurteilen.
e. Auf die unvollständige Tatsachenfeststellung des Arbeitsgerichts konnte die Entscheidung somit nicht gestützt werden.
2. Erst recht gilt dies für die Frage, ob der Klägerin ein vorsätzliches Vortäuschen falscher Tatsachen ...