Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwert. Mehrvergleich. Verschlechterungsverbot

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einem Beschwerdeverfahren, das den Streitwert eines Mehrvergleichs (hier: Hauptsacheverfahren Kündigungsschutz; begehrter Vergleichsmehrwert für Sonderzuwendung, Zeugnis, Freistellung und sog. Turboklausel) zum Gegenstand hat, erfolgt die Streitwertfestsetzung im Verfahren nach § 33 Abs. 1 2. Alt. RVG.

2. Im Verfahren nach § 33 Abs. 1 RVG gilt das Verbot der reformatio in peius.

 

Normenkette

RVG § 33 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Beschluss vom 21.07.2009; Aktenzeichen 6 Ca 6328/09)

 

Tenor

Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 21.07.2009 – 6 Ca 6328/09 – wird zurückgewiesen.

Der Nichtabhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 14.08.2009 wird aufgehoben. Es verbleibt bei der Streitwertfestsetzung des Beschlusses vom 21.07.2009 mit der Festsetzung des Gegenstandswerts für das Verfahren auf 8.000,00 EUR und den Vergleich auf 10.000,00 EUR.

 

Tatbestand

I. Der Beschwerdeführer begehrt die Festsetzung eines höheren Gegenstandswerts im Zusammenhang mit einer Kündigungsschutzklage, die durch einen nach § 278 Abs. 6 ZPO festgestellten Vergleich erledigt wurde. Auf Antrag der Prozessbevollmächtigten des Klägers hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 21.07.2009 den Gegenstandswert für das Verfahren auf 8.000,00 EUR (Kündigungsschutzantrag 3 Gehälter zu 2.000,00 EUR, allgemeiner Feststellungsantrag 1 Gehalt) und für den Vergleich auf 10.000,00 EUR (Mehrwert: 1 Gehalt für Ziffer 4 (Sonderzuwendung 2009), 1 Gehalt für Ziffer 7 (qualifiziertes Zwischen- bzw. Schlusszeugnis) festgesetzt.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 13.08.2009, die für den Vergleich einen weiteren Mehrwert für Ziffer 3 (Freistellungsklausel) und Ziffer 6 (Turboklausel) von zumindest 3,5 Gehältern, also 7.000,00 EUR begehren.

Mit Nichtabhilfebeschluss vom 14.08.2009 hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswert für Verfahren und Vergleich auf 6.000,00 EUR herabgesetzt. Das Gericht begründet diese Entscheidung unter Berufung auf § 63 Abs. 2 GKG damit, dass der zu hoch festgesetzte Gegenstandswert von Amts wegen abzuändern sei und in diesem Verfahren kein Verschlechterungsverbot gelte. Auf die weiteren Gründe des Beschlusses zur Höhe des festgesetzten Gegenstandswerts wird Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat die Beschwerde dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde ist zulässig (§ 33 Abs. 3 RVG), hat in der Sache jedoch nur insoweit Erfolg, als der Nichtabhilfebeschluss aufgehoben wird. Es verbleibt bei der ursprünglichen Festsetzung des Gegenstandswerts durch Beschluss des Arbeitsgerichts vom 21.07.2009 für das Verfahren auf 8.000,00 EUR und den Vergleich auf 10.000,00 EUR.

1. Das Arbeitsgericht war nicht berechtigt, den Gegenstandswert zu Lasten des Beschwerdeführers für das Verfahren und den Vergleich auf jeweils 6.000,00 EUR herabzusetzen. Denn es handelt sich vorliegend um ein Beschwerdeverfahren nach § 33 Abs. 3 RVG, in dem im Unterschied zum Beschwerdeverfahren nach § 68 Abs. 1 GKG, das Verbot der reformatio in peius gilt.

a. In erster Linie richtet sich die im anwaltlichen Gebühreninteresse beantragte Streitwertfestsetzung nach § 63 GKG. Der für die Anwaltsvergütung maßgebende Gegenstandswert bestimmt sich gemäß § 23 Abs.1 RVG im gerichtlichen Verfahren nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften. Der Anwalt kann – wie die übrigen Verfahrensbeteiligten – eine derartige Wertfestsetzung aus eigenem Recht beantragen (§ 32 Abs.2 RVG). Das geschieht im Streitwertverfahren nach § 63 GKG. Die Festsetzung nach § 33 RVG ist subsidiär gegenüber der Wertfestsetzung nach § 32 RVG. Eröffnet § 32 RVG eine Wertfestsetzung, ist diese auch für die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren maßgebend und ein Verfahren nach § 33 RVG unzulässig, es besteht insoweit kein Wahlrecht (GK-ArbGG/Schleusener § 12 RN 348 m.w.N.).

b. Eine Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren erfolgt nach § 33 Abs.1 RVG nur, wenn sich die Anwaltsgebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen oder es an einem solchen Wert fehlt. Vom Fehlen eines für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wertes iSd Bestimmung kann nur dort ausgegangen werden, wo die Verfahrensnormen keine Gebührenerhebung vorsehen. Das trifft im Arbeitsgerichtsverfahren für das Beschlussverfahren iSd §§ 80 ff. ArbGG zu (§ 2 Abs.2 GKG) und gilt allgemein für das Prozesskostenhilfeverfahren (GK-ArbGG/Schleusener a.a.O.)

c. Darüber hinaus gilt dies auch im hier streitigen Fall des sogenannten Mehrvergleichs, der nicht rechtshängige Streitpunkte in die Vergleichsregelung einbezieht. Denn im Arbeitsgerichtsverfahren wird dafür – im Unterschied zum Verfahren der ordentlichen Gerichtsbarkeit (Gebühr nach Nr.1900 GKG KV) – keine zusätzliche Gebühr erhoben. Dies wurde früher ausdrücklich betont ...

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