Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsratswahl. Anfechtung. Betriebsbegriff, Zuordnungstarifvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

Eine auf der Grundlage eines sog. Zuordnungs-Tarifvertrags gebildete Betriebsratsregion verliert ihre betriebsverfassungsrechtliche Betriebsidentität nicht automatisch immer schon dann, wenn sich die Zuständigkeiten der Ansprechpartner auf Arbeitgeberseite ändern.

 

Normenkette

BetrVG §§ 3-4, 13, 19

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Beschluss vom 14.10.2010; Aktenzeichen 8 BV 23/10 d)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 14.10.2010 in Sachen 8 BV 23/10 d wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl vom 26.02.2010 im Wahlbezirk 245 D.

Bei der Beteiligten zu 1./Arbeitgeberin handelt es sich um ein Einzelhandelsunternehmen mit Sitz in B-W, welches bundesweit in knapp 10.000 Verkaufsstellen/Filialen vornehmlich Drogerieartikel vertreibt. Beteiligter zu 2. ist der am 26.02.2010 im Wahlbezirk 245 D neu gewählte Betriebsrat.

Am 07.04.1995 schloss die Beteiligte zu 1. mit der damaligen Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen auf der Grundlage von § 3 Abs. 1 Ziffer 3 BetrVG in der damals gültigen Fassung zum Zwecke der Erleichterung der Errichtung von Betriebsräten einen sog. Zuordnungstarifvertrag. Bestandteil des Zuordnungstarifvertrages ist eine Landkarte der B D. Die Landkarte ist in ca. 320 geographisch abgegrenzte Regionen unterteilt. Alle Verkaufsstellen bzw. Filialen der Beteiligten zu 1. sind entsprechend ihrer geographischen Lage einer dieser Regionen zugeordnet. § 3 Abs. 2 des Zuordnungs-TV bestimmt:

„Infolge dieser Zuordnung wählen die Arbeitnehmer der in der jeweiligen Region liegenden Verkaufsstelle oder Filialen jeweils einen Betriebsrat.”

Wesentliche Arbeitgeberfunktionen wurden seinerzeit und werden auch heute noch gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der einzelnen Verkaufsstellen/Filialen durch sog. Bezirksleiter ausgeübt. Diese entscheiden über vakante Stellen, nehmen Kündigungen und die Auswahl einzustellender Mitarbeiter vor und beteiligen den Betriebsrat in Angelegenheiten des § 99 BetrVG. Jedem Bezirksleiter sind bestimmte Verkaufsstellen/Filialen fest zugeordnet. Dabei verfügen die Bezirksleiter außerhalb ihres Dienstfahrzeugs über keinen festen Bürositz, sondern üben ihre Tätigkeit quasi „ambulant” aus.

Der Zuschnitt der im Zuordnungstarifvertrag vom 07.04.1995 gebildeten Regionen orientierte sich an den damals bestehenden Zuständigkeitsbezirken der einzelnen Bezirksleiter.

Der Zuordnungstarifvertrag vom 07.04.1995 trat nach Erteilung der Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung planmäßig in Kraft. Er wurde ausweislich seines § 5 S. 2 auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Gemäß § 5 S. 3 konnte er mit einer Frist von 6 Monaten erstmals zum 31.12.1997 und kann danach jeweils zum Ende der gesetzlichen Amtszeit der Betriebsräte gemäß § 13 BetrVG gekündigt werden. Auf den vollständigen Wortlaut des Zuordnungstarifvertrages wird Bezug genommen (Bl. 7 – 10 d. A.).

Keine der Tarifvertragsparteien hat den Zuordnungstarifvertrag vom 07.04.1995 bislang gekündigt.

Seit Inkrafttreten des Zuordnungstarifvertrages hat sich die Anzahl der Verkaufsstellen des Unternehmens der Beteiligten zu 1. erheblich erhöht. Andererseits hat sich im Zuge verschiedener Umstrukturierungen die Anzahl der Bezirksleiter nach den Angaben der Beteiligten zu 1. im Anhörungstermin vor dem Beschwerdegericht auf zurzeit nur noch 230 Bezirksleiter vermindert. Aufgrund von Umstrukturierungen decken sich heute die Zuständigkeiten verschiedener Bezirksleitungen räumlich-geographisch nicht mehr mit den im Zuordnungstarifvertrag vom 07.04.1995 gebildeten Betriebsratsregionen.

Die Region 245 D, in welcher am 26.02.2010 der Beteiligte zu 2. gewählt wurde, umfasst 25 Verkaufsstellen. Für alle diese Verkaufsstellen war im Zeitpunkt der Betriebsratswahl der Bezirksleiter J zuständig. Zum Zuständigkeitsbereich des Bezirksleiters J gehörten darüber hinaus aber auch noch neun Verkaufsstellen, die nach dem Zuordnungstarifvertrag der Betriebsratsregion N zugeordnet sind (vgl. die Aufstellung der dem Bezirksleiter J unterstellten Verkaufsstellen wie Bl. 13 d. A. und die Aufstellung der in den Zuständigkeitsbereich des Beteiligten zu 2. fallenden Verkaufsstellen wie Bl. 14 d. A.). Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die in den neun Verkaufsstellen der Region N beschäftigt waren, welche dem Bezirksleiter J unterstellt sind, nahmen am 03.03.2010 an der Wahl des Betriebsrats für die Region N teil. Die Wahl des Betriebsrats für die Region N wurde nicht angefochten.

Mit der am 12.03.2010 beim Arbeitsgericht Aachen eingegangenen Antragsschrift hat die Beteiligte zu 1. die Feststellung begehrt, dass die Betriebsratswahl vom 26.02.2010 im Wahlbezirk 245 D rechtsunwirksam erfolgt sei. Die Beteiligte zu 1. hat sich auf den Standpunkt gestellt, die Betriebsratswahl sei nichtig, j...

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