Rechtsmittel zugelassen
Leitsatz (amtlich)
Zur „Tätigkeit des Betriebsrats” i.S. von § 40 Abs. 1 BetrVG kann auch die Abwehr einer Klage gegen ein Betriebsratsmitglied gehören, mit der ihm die „Ausnutzung” seines Status vorgeworfen wird.
Normenkette
BetrVG § 40 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Beschluss vom 18.09.1996; Aktenzeichen 2 BV 31/96) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Aachen vom 18.09.1996 – 2 BV 31/96 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
Der Arbeitgeber (GmbH) betreibt Zeitungszustellungen mit rund 180 Arbeitnehmern. Dem Vorsitzenden des Betriebsrats wurde am 23.11.1995 vom Amtsgericht Aachen eine Klage des Angestellten M (Betriebsinspektor beim Arbeitgeber) zugestellt mit den Anträgen, dem Beklagten (Betriebsratsvorsitzenden) zu verbieten, zu behaupten, der Kläger mache die Vergabe von neuen Zustellbezirken nur gegen Zahlung einer bestimmten Geldsumme abhängig, um damit den Eindruck zu erwecken, der Kläger sei bestechlich, und „diese unwahren Behauptungen über den Kläger weiterhin nicht zu verbreiten” (Amtsgericht Aachen – 5 C 477/95 –, Klageschrift vom 26.10.1995, Bl. 1 ff). In den Gründen der Klageschrift heißt es, der Kläger sei Betriebsinsinspektor bei der Zustellungs-GmbH; im Rahmen seiner Tätigkeit obliege ihm, neue Zusteller anzuwerben und diese im jeweiligen Zustellbezirk einzuarbeiten; der Beklagte habe in der Vergangenheit und auch in der Gegenwart wiederholt erklärt, der Kläger mache die Vergabe von Zustellbezirken davon abhängig, daß die potentiellen Zusteller Geldbeträge in unterschiedlicher Höhe zahlen (Zeugnis des Herrn T K, Zeugnis der Frau V Sch); der Beklagte gehe sogar so weit, daß er die jeweils neu angeworbenen Zusteller hinter dem Rücken des Klägers anrufe und diese nachhaltig dränge und nötige, entgegen tatsächlichen Sachverhalten gegenüber der Geschäftsleitung zu erklären, sie hätten den Zustellbezirk nur gegen Zahlung eines Betrages an den Klägers erhalten; der Beklagte nutze bei diesem Vorgehen insbesondere seinen Status als Betriebsratsvorsitzender aus; die Erklärung und Behauptung des Beklagten sei ehrenrührig und erwecke den Eindruck, der Kläger sei bestechlich; diese Behauptung, welche in keiner Weise der Wahrheit entspreche, verbreite der Beklagte in der Öffentlichkeit; der Kläger sei wegen dieser Vorgänge bereits mehrfach von der Geschäftsleitung, d.h. von seinem Arbeitgeber um Aufklärung gebeten worden; er habe immer wieder darauf hingewiesen, daß diese Beschuldigungen des Beklagten unzutreffend seien; es sei jedoch nicht auszuschließen, daß der Beklagte diese unzutreffenden Behauptungen auch in Zukunft aufrechterhalte und bei der Anwerbung neuer Zusteller diese Vorgehensweise wiederhole.
Daraufhin hat der Betriebsrat am 27.11.1995 unter dem TOP 10 „Verfahren gegen den BR-Vorsitzenden 5 C 477/95” beschlossen:
„Die in der Klage erhobenen Vorwürfe richten sich gegen den BR-Vors. bezüglich eines Gespräches, das während der BR-Sitzung fernmündlich mit Frau Schiffers erfolgte. Aufgrund der Tatsache, daß es sich hier um eine reine Betriebsratsangelegenheit handelt, beschließt der Betriebsrat, den Rechtsanwalt B (A) mit der Interessenwahrnehmung des Betriebsrats vor dem Amtsgericht A zu beauftragen. Gemäß dem BetrVG trägt der Arbeitgeber die daraus entstehenden Kosten.”
Am 04.12.1995 hat der Betriebsrat unter dem TOP 6 „Klage des Herrn M gegen BR-Vors. F. B des weiteren beschlossen:
„Der Betriebsrat beschließt einstimmig, den Rechtsanwalt B mit der Interessenwahrnehmung des Betriebsrates zu beauftragen. Dazu nimmt der BR-Vors. einen Termin am 5.12.1995, 14:30 wahr.”
Im Anschluß hieran hat der Betriebsratsvorsitzende Rechtsanwalt B mit der Wahrnehmung seiner Interessen im Verfahren Amtsgericht K 5 C 477/95 beauftragt. Rechtsanwalt B ist auch entsprechend tätig geworden. Am 11.03.1996 haben die Parteien (beim Arbeitsgericht A – 7 Ca 94/96 –) einen Vergleich beschlossen mit folgenden Wortlaut:
„Der Beklagte erklärt, er habe eine Behauptung, der Kläger mache die Vergabe von neuen Zustellbezirken nur gegen Zahlung einer bestimmten Geldsumme abhängig, um damit den Eindruck zu erwecken, der Kläger sei bestechlich, nie abgegeben und wird künftig eine solche Erklärung gegenüber Dritten nicht abgeben.”
Unter dem 26.03.1996 hat Rechtsanwalt B wegen seiner Tätigkeit dem Betriebsratsvorsitzenden 1.719,25 DM in Rechnung gestellt (Bl. 7 d.A.). Der Betriebsratsvorsitzende verlangt Erstattung vom Arbeitgeber unter Berufung auf § 40 Abs. 1 BetrVG.
Der Betriebsratsvorsitzende hat beantragt,
Die Antragsgegnerin zu verpflichten, an ihn 1.719,25DM zu zahlen.
Der Arbeitgeber hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er hat geltend gemacht, die Betriebsratsbeschlüsse vom 27.11. und 04.12.1995 seien rechtsunwirksam. Der Betriebsratsvorsitzende habe den Prozeß ersichtlich nicht als Betriebsrat, sondern als Privatperson geführt.
Der Betriebsrat hat sieben Mitglieder. ...