Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung. Voraussetzung für eine Aussetzung nach § 149 ZPO
Leitsatz (amtlich)
Sofortige Beschwerde gegen Nichtaussetzungsbeschluss - Aufhebung und Zurückverweisung an das Arbeitsgericht wegen nicht ausgeübtem Ermessen.
Leitsatz (redaktionell)
2. Voraussetzung für eine Aussetzung nach §
149
ZPO
ist vielmehr allein, dass der Verdacht einer Straftat besteht, deren Ermittlung auf das vorliegende arbeitsgerichtliche Verfahren von Einfluss ist. Einfluss hat die strafrechtliche Ermittlung unabhängig davon, ob dort ein Urteil zustande kommt oder eine Einstellung erfolgt
Normenkette
ZPO §§ 252, 149
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 29.05.2012; Aktenzeichen 15 Ca 7836/11) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 29.05.2012
- 15 Ca 7836/11 - aufgehoben. Die Sache wird an das Arbeitsgericht Köln zurückverwiesen.
Gründe
I. Die Parteien streiten im Wesentlichen über Vergütungsansprüche aus einem einvernehmlich zum 30.09.2011 beendeten Ausbildungsverhältnis. Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage Vergütung für den Monat September 2011 in Höhe von 450,00 € brutto, der Beklagte verlangt widerklagend 125,87 € mit der Begründung, die Klägerin habe entsprechende Minusstunden angehäuft. Die Klägerin hatte am 01. und 02.09.2011 Urlaub. Für die Zeit vom 05.09. bis 30.09.2011 legte die Klägerin dem Beklagten ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor.
Der Beklagte verweigert die Entgeltfortzahlung mit der Begründung, die Klägerin habe die Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht. Es bestehe der Verdacht, dass die Klägerin bereits im September 2011 in ihrem neuen Ausbildungsbetrieb als Friseurin gearbeitet und die Berufsschule besucht habe. Der Beklagte meint, die Klägerin habe sich wegen Betrugs zu seinen Lasten strafbar gemacht. Dementsprechend hat er Strafanzeige gegen die Klägerin und die behandelnden Ärzte erstattet. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wird von der Staatsanwaltschaft Düsseldorf unter dem Aktenzeichen 70 Js 16473/11 geführt und dauert noch an. Der Beklagte trägt vor, die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen hätten ergeben, dass sie Klägerin bereits im September 2011 die Berufsschule besucht und bei ihrem neuen Ausbilder an zwei Samstagen (unentgeltlich) gearbeitet habe.
Die Klägerin behauptet, sie habe im September 2011 an einem emotionalen Erschöpfungssyndrom gelitten, dass durch die Arbeitsumstände bei dem Beklagten ausgelöst worden sei. Sie habe unter unkontrollierbaren Schweißausbrüchen, Erbrechen, Magenschmerzen und einer damit zusammenhängenden Antriebslosigkeit gelitten. Die Klägerin bestreitet, in ihrem neuen Ausbildungsbetrieb vor dem 01.10.2011 ihre Tätigkeit aufgenommen zu haben. Sie sei vorher dort in keiner Weise tätig geworden.
Im Hinblick auf das strafrechtliche Ermittlungsverfahren hat der Beklagte beantragt, das Verfahren gemäß § 149 ZPO auszusetzen. Die Klägerin hat beantragt, den Aussetzungsantrag zurückzuweisen.
Das Arbeitsgericht Köln hat mit Beschluss vom 29.05.2012 den Aussetzungsantrag zurückgewiesen und dies damit begründet, von der Möglichkeit des § 149 ZPO werde keinen Gebrauch gemacht, weil die Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit nicht vom Ergebnis des Strafverfahrens abhänge und das Arbeitsgericht im Übrigen nicht an die Feststellungen des Amtsgerichts bzw. der Staatsanwaltschaft gebunden sei, sondern vielmehr gezwungen sei, selbst Beweis zu erheben, wenn der Vortrag der Parteien und deren Beweisantritte dies rechtfertigen. Es sei Aufgabe der Kammer zu entscheiden, ob der Besuch der Berufsschule einer Auszubildenden reiche, nach den Vorgaben der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern.
Der Beklagte, dem der Beschluss am 08.06.2012 zugestellt worden ist, hat am 14.06.2012 sofortige Beschwerde eingelegt und diese wie folgt begründet. Das Arbeitsgericht verkenne die Bedeutung des bereits anhängigen Strafverfahrens für die Entscheidung über die Klage. Nach dem jetzigen Verfahrensstand sei der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erschüttert und die Klägerin entsprechend auf die Aussage ihrer behandelnden Ärzte angewiesen, um die Arbeitsunfähigkeit beweisen zu können. Da gegen die Ärzte ebenfalls Ermittlungen angestellt würden, sei das Strafverfahren auch nach der Feststellung der Anwesenheit der Klägerin in der Berufsschule während ihrer Arbeitsunfähigkeit für das arbeitsrechtliche Verfahren von Bedeutung. Das Arbeitsgericht gehe zwar zutreffend davon aus, dass es an Feststellungen eines Strafverfahrens nicht gebunden sei, es gehe aber fälschlich davon aus, in jedem Fall selbst Beweis erheben zu müssen. Mit Zustimmung der Parteien könnten statt einer eigenen Beweisaufnahme die Protokolle der Zeugenaussagen und die Sachverständigengutachten aus den Strafakten verwertet werden. Das Arbeitsgericht habe das ihm zustehende Ermessen überhaupt nicht ausgeübt.
Das Arbeitsgericht Köln hat der sofortigen Beschwerde mit Besch...