Entscheidungsstichwort (Thema)
Auflösungsverschulden. Kündigungsfrist
Leitsatz (redaktionell)
1. Kündigt der Arbeitnehmer unter Einhaltung einer Frist, die die gesetzlichen Mindestvorgaben unterschreitet, die aber von den Parteien – unwirksam – in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag vereinbart worden ist, kann der Arbeitgeber von ihm für sein verfrühtes Ausscheiden keine vertraglich vereinbarte Vertragsstrafe verlangen. Das gilt auch, wenn der Vertrag die Klausel enthält, dass jede gesetzliche Verlängerung der Kündigungsfrist zu Gunsten des Arbeitnehmers auch zu Gunsten des Arbeitgebers wirkt, aber seit Vertragsschluss keine „gesetzliche Verlängerung der Kündigungsfrist” stattgefunden hat.
2. Holt der Empfänger eine abholbereite Einschreibsendung nicht ab, kann das wegen Zugangsvereitelung zu einer Zugangsfiktion führen, wenn er von der Lagerung der Sendung ordnungsgemäß benachrichtigt worden ist. Die Zugangsfiktion kann aber nur eintreten, wenn der Absender den Zustellversuch unverzüglich wiederholt, sobald erkennbar wird, dass die Sendung den Empfänger nicht erreicht hat.
Normenkette
BGB §§ 622, 390, 130, 242
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Urteil vom 13.09.2001; Aktenzeichen 8 Ca 4089/00) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 13.09.2001 verkündeten Urteil des Arbeitsgerichts Aachen – 8 Ca 4089/00 d – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
(abgekürzt gem. § 543 Abs. 1 ZPO a.F.)
Die Parteien – nämlich die beklagte GmbH, die ein Unternehmen für Elektrotechnologie betreibt und der von ihr von August 1999 bis Juni 2000 als Elektromonteur beschäftigte Kläger – streiten um die Abrechnung des letzten Monats (Juni 2000), für den der Kläger 4.177,– DM brutto als Lohn und 695,– DM netto als Spesen (Auslösung und Fahrgeld) fordert. Dem entsprechend ist im Kammertermin vom 15.02.2001 Versäumnisurteil gegen die Beklagte, die schriftlich zur Klage nicht Stellung genommen hatte, ergangen, weil ihr anwaltlicher Prozeßvertreter im Termin zwar anwesend war, aber nicht verhandelt hat. Die Beklagte hat fristgemäß Einspruch eingelegt, in der Einspruchsschrift vom 10.04.2001 aber nicht, sondern erst mit Schriftsatz vom 27.04.2001 zum Sachverhalt vorgetragen (Bl. 32 ff.).
Das Arbeitsgericht hat das klagestattgebende Versäumnis – urteil aufrechterhalten. Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter und berechnet die Lohnansprüche des Klägers ausgehend von 4.204,50 DM brutto auf 3.132,69 DM netto, die übrigen Ansprüche auf 680,– DM netto zuzüglich 68,– DM netto als vermögenswirksame Leistung. Dem gegenüber wiederholt die Beklagte die schon erstinstanzlich erklärte Aufrechnung mit einem Anspruch auf Vertragsstrafe in Höhe von 3.696,– DM, die arbeitsvertraglich für den Fall vereinbart wurde, daß der Arbeitnehmer „das Arbeitsverhältnis rechtswidrig auflöst oder verschuldet einen Grund zur fristlosen Kündigung gibt”. Zur Begründung beruft sich die Beklagte auf den unstreitigen Umstand, daß der Kläger das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 15.06.2000 unter Einhaltung einer im Arbeitsvertrag vom 29.06.1999 vereinbarten 14-tägigen Frist zum 30.06.2000 gekündigt hat. Die Beklagte hält dies mit Rücksicht auf § 622 Abs. 1 BGB i.d.F. des KündFG v. 07.10.1993 (in Kraft seit 15.10.1993) für unzulässig, weil der Arbeitsvertrag die Klausel enthält: „Jede gesetzliche Verlängerung der Kündigungsfrist zu Gunsten des Arbeitnehmers gilt auch in gleicher Weise zu Gunsten des Arbeitgebers.” Darauf habe sie mit Einschreiben vom 28.06.2000 (Bl. 38) hingewiesen, das unstreitig dem Kläger nicht ausgehändigt, sondern – nach Darstellung der Beklagten – mit dem Vermerk „nicht abgefordert” an sie zurückgeleitet worden sei.
Die Beklagte rechnet ferner auf mit einem Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 1.182,41 DM für eine Werkzeugkiste, die dem Kläger mit Inhalt übergeben und diesem zwischen dem 03. und 18.02.2000 aus einem von der Beklagten zur Verfügung gestellten Baustellencontainer entwendet wurde. Zur Begründung beruft sich die Beklagte auf die vom Kläger unter dem 29.07.1999 unterschriebene Quittung, die den Vermerk enthält: „Mir ist bekannt, daß ich für die Gegenstände hafte (…). Ich verpflichte mich, die Gegenstände bei meinem Ausscheiden aus der Firma (…) zurückzugeben. Fehlende Gegenstände werden bei meinem Ausscheiden mit meinem Restlohnanspruch verrechnet.” Die in Ziffer 18 des Arbeitsvertrags vereinbarte Verfallfrist von zwei Monaten, innerhalb derer Ansprüche „nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden” müssen, habe sie gewahrt: zum einen schon durch ein Rundschreiben an alle Mitarbeiter vom 22.02.2000 (Bl. 101), zum anderen mit einem (zweiten) Schreiben an den Kläger vom 28.06.2000 (Bl. 102), dessen Zugang der Kläger vereitelt habe, weil er es nicht abgefordert habe. Mit Schriftsatz vom 11.12.2001 hat die Beklagte behauptet, der Kläger habe während der Zeit seiner Beschäftigung durch falsche Angaben ein Zuviel an Aus...