Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufskraftfahrer. Kündigung. Reifenzustand
Leitsatz (amtlich)
1. Verletzt ein Berufskraftfahrer trotz einschlägiger Abmahnung seine Pflicht zur täglichen Überprüfung des verkehrssicheren Zustands der Reifen des ihm zugewiesenen Fahrzeugs, so kann dies je nach den Umständen geeignet sein, eine ordentliche oder auch außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen.
2. Andererseits darf ein Unternehmen, dessen LKWs aufgrund ihrer besonderen Einsatzbedingungen einem ungewöhnlich hohen Reifenverschleiß unterliegen, die daraus entstehenden Risiken auch nicht ausschließlich einseitig den Fahrern aufbürden.
3. Zur Beurteilung eines Einzelfalles, in dem eine Kündigung trotz einschlägiger Abmahnungen nicht gerechtfertigt erschien.
Normenkette
BGB § 626; KSchG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Urteil vom 17.06.1998; Aktenzeichen 4 Ca 420/98) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 17.06.1998 – Az. 4 Ca 420/98 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen, arbeitgeberseitigen Kündigung vom 03.02.1998.
Bei der Beklagten handelt es sich um ein Unternehmen für Transportbeton, das auch eigene Sand- und Kieswerke betreibt. Die Beklagte verfügt über ca. 20 LKWs. Für ihren Fuhrpark unterhält sie auch eine eigene Kfz-Werkstatt. Diese hält ein grösseres Reifensortiment auf Vorrat. Hierbei handelt es sich u.a. um gebrauchte Reifen, deren abgefahrenes Profil durch sogenanntes Nachschneiden wieder verkehrstauglich gemacht worden ist.
Der am 20.08.1951 geborene Kläger, der nach eigenen Angaben verheiratet ist und vier Kinder hat, ist seit dem 17.09.1990 bei der Beklagten als Kraftfahrer beschäftigt. Sein Monatslohn betrug zuletzt 4.610,40 DM brutto. Bei der Beklagten sind regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt.
Unter dem 20.02.1997 erhielt der Kläger ein Schreiben der Beklagten, in welchem sie beanstandete, dass der Kläger an diesem Tage seinen LKW mit nicht mehr verkehrssicheren Reifen gefahren und ohne entsprechende Meldung auf dem Hof abgestellt habe. Das Schreiben war nicht als „Abmahnung” bezeichnet, noch enthielt es einen Hinweis darauf, dass die Beklagte im Wiederholungsfalle die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Erwägung ziehen könne.
Mit Abmahnungsschreiben vom 06.05.1997 (Blatt 11 f d.A.) beanstandete die Beklagte erneut ein Fahren mit abgefahrenen Reifen sowie darüber hinaus eine Falschbedienung des Fahrtenschreibers. Unter dem 17.10.1997 erhielt der Kläger erneut eine Abmahnung wegen Fahrens mit abgefahrenen Reifen (Blatt 20 d.A.).
Am Samstag, dem 31.01.1998 nahm der Kläger um 6.00 Uhr morgens seinen Dienst auf. Er fuhr einen Lastzug, den er auch am Tag zuvor gefahren hatte. Nach Beendigung seiner letzten Einsatztour kehrte er um ca. 13.00 Uhr auf das Betriebsgelände zurück, als die Kfz-Werkstatt, die samstags bis 12.00 Uhr geöffnet ist, schon geschlossen war. Der Kläger informierte nunmehr den auf dem Betriebsgelände der Beklagten als sogenannter Schliessposten diensthabenden Mitarbeiter J darüber, dass einer der zehn Reifen der Zugmaschine seines Lastzuges defekt sei, da dort ein Stück Draht austrete.
Mit Schreiben vom 03.02.1998, dem Kläger zugegangen am gleichen Tage, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 30.04.1998. Hiergegen wandte sich der Kläger mit der am 12.02.1998 beim Arbeitsgericht Bonn eingegangenen Kündigungsschutzklage.
Der Kläger hat geltend gemacht, ihm könne nicht vorgeworfen werden, am 30.01./31.01.1998 mit abgefahrenen Reifen gefahren zu sein. Er habe die Reifen seines Lastzuges am 30.01.1998 nach Schichtende und auch am 31.01.1998 vor Schichtbeginn kontrolliert und hierbei keinen Defekt festgestellt. Der Mangel müsse während der Einsatzfahrten im Laufe des 31.01.1998 aufgetreten sein und müsse darauf zurückgeführt werden, dass das fragliche Rad zeitweise blockiert habe. Mit der Bitte an den Kollegen J, den Mangel am nächsten Arbeitstag – an welchem der Kläger selbst unstreitig Urlaub hatte – der Werkstatt zu melden, habe er seinen arbeitsvertraglichen Pflichten genüge getan.
Der Kläger hat ferner behauptet, auch die den Abmahnungen vom 06.05. und 17.10.1997 zugrunde liegenden Vorwürfe seien unberechtigt. In beiden Fällen habe er den jeweils durch eine Bremsblockade aufgetretenen Reifenmangel ordnungsgemäß und unverzüglich gemeldet, und über die richtige Handhabung des Fahrtenschreibers hinsichtlich der Position „Pause” sei er erstmals durch das Abmahnungsschreiben selbst informiert worden. Schliesslich sei auch die Beanstandung aus dem Schreiben vom 20.02.1997, das im Übrigen keine Abmahnung im arbeitsrechtlichen Sinne beinhaltete, sachlich unberechtigt.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung vom 03.02.1998 nicht aufgelöst worden ist;
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch di...