Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsgeld, Widerruf
Leitsatz (amtlich)
1. Die nach §§ 133, 157 BGB vorzunehmende Auslegung einer einzelvertraglichen Vereinbarung, wonach der Arbeitnehmer im Juni ein Urlaubsgeld erhält, kann ergeben, dass es sich hierbei nicht um ein zusätzliches Entgelt für tatsächlich erbrachte Arbeitsleistungen (sog. Entgelt im engeren Sinne), sondern um eine von der eigentlichen Vergütung unabhängige Zahlung (sog. Entgelt im weiteren Sinne) handelt, die an den Arbeitnehmer auch dann zu leisten ist, wenn er im betreffenden Kalenderjahr ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt war.
2. Das Zusammentreffen von Freiwilligkeits- und Widerrufsklauseln lässt die jeweiligen vertraglichen Bestimmungen unklar erscheinen mit der Folge, dass dadurch lediglich ein Widerrufsvorbehalt des Arbeitgebers für den darauf bezogenen Anspruch des Arbeitnehmers begründet wird (im Anschluss an LAG Berlin, Urteil vom 19.08.2005 – 6 Sa 1106/05, NZA-RR 2006, 68 f.).
3. Die Ausübung eines arbeitsvertraglich vereinbarten Widerrufsrechts durch den Arbeitgeber führt nicht zum Wegfall von Leistungen, die zuvor bereits fällig geworden sind.
Normenkette
BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 21.11.2006; Aktenzeichen 13 Ca 5683/06) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 21.11.2006 – 13 Ca 5683/06 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zahlung von Urlaubsgeld.
Die Kläger sind Eheleute und seit dem 01.07.1991 bei der Beklagten beschäftigt.
Im ursprünglichen Arbeitsvertrag zwischen der Klägerin zu 1. und der Beklagten vom 21.06.1991 heißt es u.a.:
„§ 11 Gratifikationen
Soweit der Arbeitgeber eine Gratifikation (Weihnachts- oder Urlaubsgratifikation) gewährt, erfolgt diese freiwillig und ohne jeden zukünftigen Rechtsanspruch. Auch aus wiederholter Zahlung kann ein Rechtsanspruch nicht abgeleitet werden. Ist das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Auszahlung gekündigt, besteht in keinem Falle ein Anspruch auf die Gratifikation. Rückzahlungsvereinbarungen gelten in der Form, die bei der Gewährung allgemein festgelegt werden können.
(…)
§ 15 Sonstige Vereinbarungen
Arbeitszeit von Uhr 8.00 – 16.30 versetzte Arbeitszeit möglich
Weihnachtsgeld im November DM 1.500,– Urlaubsgeld im Juni DM 1.500,–”
Der zwischen dem Kläger zu 2. und der Beklagten am 21.06.1991 geschlossene Arbeitsvertrag lautet in § 10 „Sonstige Vereinbarungen”) – soweit hier von Interesse – wie folgt:
„zum Bruttolohn werden gezahlt: …
Weihnachtsgeld im November DM 2.500,– Urlaubsgeld im Juni DM 2.500,–”
Am 09.06.1992 schlossen die Klägerin zu 1. und die Beklagte einen „Änderungsvertrag zum Vertrag vom 21. Juni 1991”, dessen § 11 wortgleich ist mit § 11 des Arbeitsvertrags vom 21.06.1991 und der in § 15 „Sonstige Vereinbarungen”) die Zahlung von Weihnachts- und Urlaubsgeld nicht vorsieht. In einem weiteren, ebenfalls mit dem 09.06.1992 datierten „Änderungsvertrag zum Vertrag vom 21. Juni 1991” heißt es u.a.:
„Ziff. 2) zu Nr. 3 und 11 Entgelt und Gratifikation:
Außer der vereinbarten Gesamtvergütung, die auch die Überstunden einschließt, erhält der Angestellte bis auf jederzeitigen Widerruf freiwillig ein Weihnachts- und Urlaubsgeld. Die Zahlung erfolgt aber erst nach Ablauf der Probezeit.”
Seit September 2005 sind die Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Für das Jahr 2006 zahlte die Beklagte an die Kläger kein Urlaubsgeld.
Mit ihrer am 17.07.2006 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Klage vom 13.07.2006 haben die Kläger die Beklagte auf Zahlung von 766,94 EUR brutto an die Klägerin zu 1. und von 1.278,23 EUR brutto an den Beklagten zu 2. in Anspruch genommen.
Die Kläger haben die Auffassung vertreten, die Beklagte müsse ihnen für das Jahr 2006 Urlaubsgeld zahlen, da dieses nach den Arbeitsverträgen weder urlaubs- noch arbeitsleistungsbezogen sei.
Die Kläger haben beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, die an die Klägerin zu 1. 766,94 EUR brutto und an den Kläger zu 2. 1.278,23 EUR brutto jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, sie sei zur Zahlung von Urlaubsgeld für das Jahr 2006 an die Kläger nicht verpflichtet, weil es sich mangels Vorliegens anderweitiger Vereinbarungen nicht um eine Gratifikation handele, die nur vom Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängig und von der tatsächlichen Erbringung der Arbeitsleistung unabhängig sei. Hinsichtlich der Klägerin zu 1. hat die Beklagte in der Klageerwiderung vom 24.10.2006 vorsorglich den Widerruf bezüglich des Weihnachts- und Urlaubsgelds für das Jahr 2006 erklärt. Die Beklagte hat behauptet, die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse ihres Unternehmens hätten eine zusätzliche Zahlung von Gratifikationen nicht zugelassen.
Mit Urteil vom 21.11.2006 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt...