Entscheidungsstichwort (Thema)
Formularmäßige Verpflichtung eines Arbeitnehmers zur Verschwiegenheit nach Ende des Arbeitsverhältnisses
Leitsatz (amtlich)
Klauseln, die einen Arbeitnehmer nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses hinsichtlich rechtmäßig erlangter Kenntnisse uneingeschränkt und unendlich zur Verschwiegenheit verpflichten, stellen eine unangemessene Benachteiligung dar und sind unwirksam.
Für den Unterlassungsanspruch kommt es auf die Rechtslage und Tatsachenlage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an.
Normenkette
GeschGehG §§ 2-3, 6
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Entscheidung vom 09.05.2019; Aktenzeichen 8 Ga 9/19) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 09.05.2019 - 8 Ga 9/19 - wird auf deren Kosten zurückgewiesen.
Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens darüber, ob die Klägerin, ehemalige Arbeitgeberin des Beklagten, von diesem verlangen kann, es zu unterlassen, Geschäfts oder Betriebsgeheimnisse zu Wettbewerbszwecken zu verwenden.
Hinsichtlich des erst- und zweitinstanzlichen Streitgegenstands wird auf das erstinstanzliche Urteil gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG, § 540 ZPO sowie auf den weiteren Akteninhalt gemäß § 313 ZPO Bezug genommen.
Am 26.04.2019 ist das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) in Kraft getreten. Es enthält keine Übergangsvorschriften. § 17 UWG ist zum gleichen Zeitpunkt außer Kraft getreten. Die Klägerin vertritt die Ansicht, dass der vorliegende Rechtsstreit auf der Basis von § 17 UWG zu entscheiden sei. Das GeschGehG finde keine Anwendung, da der Beklagte bereits im Jahre 2015, während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses Geschäftsgeheimnisse durch die Mails vom 20. September, 13. Dezember und 31. Dezember 2015 an Wettbewerber bekannt gemacht habe.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht hat die Klägerin die Ansicht vertreten, der Beklagte müsse alle Geschäftsgeheimnisse auf unbeschränkte Zeit geheim halten. Dies sei Ziel des vorliegenden Verfahrens. Allerdings sei ja wegen des Geheimnisverrats in 2015 vielleicht ohnehin alles schon bekannt.
Der Beklagte ist derzeit bei einer Kundin der Klägerin, die von dieser Abfüllmaschinen erworben hat sowie die Verpflichtung übernommen hat, eine bestimmte Menge Sleeves von der Klägerin zu beziehen, im Qualitätsmanagement beschäftigt. Er hat dort unter anderem die Aufgabe, Reklamationen gegenüber der Klägerin durchzusetzen. In diesem Zusammenhang nutzt er auch Daten der Klägerin, die diese als Geheimnis wertet, die aber der neuen Arbeitgeberin des Beklagten bekannt gemacht wurden, um die Qualitätsüberwachung durchführen zu können. Der Beklagte hält den Antrag auch deshalb für zu weit gefasst, weil ihm dann die Tätigkeit bei der neuen Arbeitgeberin unmöglich wäre. Daneben hat der Beklagte ein Beratungsbüro für Dienstleistungen im Zusammenhang mit Verpackungen eröffnet.
Das Arbeitsgericht hat auf den Widerspruch des Beklagten die vom Landgericht Aachen erlassene einstweilige Verfügung aufgehoben und den Antrag auf Erlass abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin mit dem Antrag,
- unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Aachen vom 9. Mai 2019 (Az.: 8 Ga 9/19) den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse der Klägerin, die ihm im Rahmen des Arbeitsverhältnisses mit dieser anvertraut oder zugänglich gemacht worden sind, unbefugt an Dritte mitzuteilen oder weiterzugeben, insbesondere in Form der Weitergabe von spezifischen Leistungsdaten der Packstoffproduktionsanlagen (z. B. AFK-Maschinen) oder von exakten Geometriedaten und Toleranzen betreffend das Verpackungsmaterial, so wie durch die in den Anlagen Ast 10, 11 und 12 aufgeführten E-Mails vom 20. September 2015, 13. Dezember 2015 und 31. Dezember 2015 und den Anlagen "2.2 Randstreifen und Staub.docx", "2.3 Kühlwasser.docx", "2.6 Sauventilator.docx", "QS-609.docx" und "QS-604.docx", letztere betreffend die "Längsnahtgeometrie Nahtdicke", geschehen, die der Beklagte unter dem Pseudonym "Klaus Fisher" versandt hat;
- dem Beklagten anzudrohen, dass gegen ihn für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, festgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin klargestellt, dass aus den Dokumenten QS-609 und QS-604 lediglich die Daten "Längsnahtgeometrie Nahtdicke" und "Aufspringverhalten" Geschäftsgeheimnisse seien.
Entscheidungsgründe
Die zulässige und fristgerechte Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Anspruchsgrundlage für den von der Klägerin verfolgten Unterlassungsanspruch kann nur das zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung gültige Gesetz und damit § 6 GeschGehG sein. § 17 UWG ist ersatzlos außer Kraft getreten. Damit i...