Entscheidungsstichwort (Thema)
betriebsbedingte Kündigung. Leiharbeit. Prognose. Arbeitsrecht
Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen einer betriebsbedingten sind bei der negativen Prognose hinsichtlich der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit Besonderheiten bei Arbeitnehmerüberlassung zu berücksichtigen. Dann, wenn in einem repräsentativen Zeitraum vor Ausspruch der Kündigung ein bisherigen Einsatzbereich oder in anderen Bereichen, in denen der Arbeitnehmer nach zumutbaren Qualifizierungsmaßnahmen einsetzbar gewesen wäre, Aufträge vorgelegen haben, ist anzunehmen, dass solche Beschäftigungsmöglichkeiten auch kurzfristig in der Zukunft entstehen können. Daher hat der Arbeitgeber das Risiko für kurzfristige – etwa drei Monate umfassende – Auftragslücken zu tragen.
Normenkette
KSchG § 1
Verfahrensgang
ArbG Siegburg (Urteil vom 30.06.2004; Aktenzeichen 6 (2) Ca 903/04) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 30.06.2004 – 6 (2) Ca 903/04 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch ordentliche arbeitgeberseitige Kündigung.
Der 1954 geborene, geschiedene und kinderlose Kläger ist gemäß dem Anstellungsvertrag vom 02.10.1998 (Kopie Bl. 3 ff. d. A.) seit dem 05.10.1998 als Organisationsprogrammierer im Betrieb der Beklagten mit einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt 3.254,82 EUR beschäftigt.
Die Beklagte betreibt ein Leiharbeitsunternehmen, in dem sie den weitaus überwiegenden Teil ihrer ca. 400 Mitarbeiter aufgrund von Arbeitnehmerüberlassungs- oder Werkverträgen bei ihren Auftraggebern einsetzt. Der Kläger war von Oktober 1998 bis Januar 1999 und im Anschluss daran von Februar bis Juli 1999 bei zwei Kunden der Beklagten im Bereich Netzwerkadministration eingesetzt; ab August 1999 war er ohne Unterbrechung als Organisationsprogrammierer bei der Firma V in D tätig. Seine dortigen Tätigkeiten umfassten den Bereich der sog. Clipper-Programmierung nach selbsterstelltem Pflichtenheft, Projektierung und Durchführung einer Netzwerk-Migration, Administration von Windows NT 4.0, Netzwerkserver/Workstation und die Clipper-Programmierung nach Vorgabe an neuen und bestehenden Programmen. Das Auftragsverhältnis zwischen der Beklagten und der Firma V endete Ende Januar 2004. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger durch Schreiben vom 29.01.2004 (Kop. Bl. 10 d. A.) fristgerecht zum 31.03.2004.
Gegen diese Kündigung wendet sich der Kläger mit seiner am 13.02.2004 beim Arbeitsgericht Siegburg eingegangenen Kündigungsschutzklage. Der Kläger hat behauptet, neben der bei der Firma V eingesetzten Programmiersprache „Clipper” beherrsche er auch die Programmierung in den Sprachen „Basic” und „C”. Zudem könne er die Programmierung von Web-Seiten mit HTML durchführen. Hinzu komme die Qualifikation des Klägers im Bereich der Server- und Workstationtechnik der Betriebssysteme Windows NT 4, Windows 2000 und Windows 2003 inklusive der dazugehörigen Sicherheitstechnik. Gerade aufgrund seiner Kenntnisse im Bereich der Systemsicherheitstechnik sei der Kläger im Bereich der Windows-Serverbetriebssysteme einsetzbar. Zudem hat der Kläger die zu seinen Lasten erfolgte Sozialauswahl gerügt. Zum einen sei der Kläger mit Rücksicht auf seine längere Betriebszugehörigkeit schutzwürdiger als die von der Beklagten beschäftigten Netzwerkadministratoren P, W und P. Des weiteren sei er überdies älter als die Mitarbeiter W und P. Zum anderen sei die Sozialauswahl nicht auf die genannten Netzwerkadministratoren P, W und P zu beschränken, sondern müsse auf alle Mitarbeiter der Beklagten, die – gegebenenfalls intern – mit EDV-Problematiken befasst seien, erstreckt werden.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 29.01.2004 zum 31.03.2004 beendet wurde, sondern unverändert fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Rechtsauffassung vertreten, die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger sei aufgrund dringender betrieblicher Gründe sozial gerechtfertigt. Hierzu hat sie behauptet, zum Zeitpunkt der Kündigung seien keine Folgeaufträge absehbar gewesen, in denen der Kläger mit Rücksicht auf seine Qualifikation hätte eingesetzt werden können. Die vom Kläger bei der Firma V verwendete Programmiersprache „Clipper” sei veraltet und werde von keinem anderen Auftraggeber der Beklagten mehr verlangt. Anderweitige Anfragen betreffend die Programmiersprache Clipper habe die Beklagte seit Ende 2001 nicht mehr erhalten. In der Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist des Klägers sei ebenfalls kein solcher Auftrag erteilt worden. Auch im Bereich der Netzwerkadministration sei der Kläger nicht einsetzbar. Hier sei der Personalbestand von 37 Mitarbeitern zum Jahreswechsel 2000/2001 auf den Bestand von drei Mitarbeit...