Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristung einzelner Arbeitsvertragsbedingungen. Arbeitszeiterhöhung. AGB-Kontrolle. Abrufarbeit. Betriebsrisiko
Leitsatz (amtlich)
1. Auf die Befristung einzelner Arbeitsvertragsbedingungen ist § 14 TzBfG nach herrschender und zutreffender Ansicht nicht anwendbar.
2. Die in einem Formulararbeitsvertrag vereinbarte Befristung einer Erhöhung der vertraglichen Arbeitszeit unterliegt jedoch einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB.
3. Das schützenswerte Interesse des Arbeitnehmers daran, dass der Umfang der Arbeitszeit unbefristet vereinbart wird, wird durch eine Vertragsgestaltung beeinträchtigt, die nur eine zeitlich unbefristete Teilzeitbeschäftigung vorsieht und darüber hinaus lediglich befristete, von den Arbeitsvertragsparteien zwar jeweils zu vereinbarende, vom Arbeitgeber in Zeitpunkt und Umfang aber jeweils vorgegebene Aufstockungen der Arbeitszeit bis zu einer Vollzeitbeschäftigung ermöglicht.
4. Die darin liegende Benachteiligung kann nicht durch das Interesse des Arbeitgebers gerechtfertigt werden, auf die allgemeine Ungewissheit über den künftigen Arbeitskräftebedarf flexibel reagieren zu können.
5. Es liegt kein Wertungswiderspruch darin, dem Arbeitgeber bei einem Abrufarbeitsverhältnis i.S.v. § 12 TzBfG für den variablen Bestandteil des Arbeitszeitkontingents eine Bandbreite von bis zu 25 % zuzugestehen, die Befristung einer Arbeitszeiterhöhung aber auch dann für unzulässig zu halten, wenn sie einerseits einen Anteil von 25 % der Gesamtarbeitszeit nicht übersteigt, andererseits aber lediglich mit Umständen gerechtfertigt wird, die dem allgemeinen Betriebsrisiko des Arbeitgebers zuzurechnen sind.
Normenkette
BGB §§ 305, 307, 310, 611; KSchG § 2; TzBfG §§ 9, 12, 14
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 02.04.2008; Aktenzeichen 3 Ca 599/07) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 02.04.2008 in Sachen 3 Ca 599/07 abgeändert:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien als Vollzeitarbeitsverhältnis in der Briefzustellung unbefristet über den 31.12.2006 hinaus fortbesteht.
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin für die Dauer des Rechtsstreits als Angestellte in der Briefzustellung mit voller Wochenstundenzahl weiter zu beschäftigen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Befristung einer Erhöhung der vertraglichen Wochenarbeitszeit.
Die am 09.01.1961 geborene Klägerin ist seit dem 15.10.1996 bei der Beklagten als Briefzustellerin beschäftigt. Seit dem 01.10.2000 steht die Klägerin in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis mit einer arbeitsvertraglichen durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 31,0 Stunden (vgl. Vertrag vom 21.09.2000, Bl. 12/12R d. A.).
Seit Januar 2004 wird die Klägerin aufgrund mehrerer befristeter Aufstockungsverträge im Umfang einer Vollzeitkraft beschäftigt, also zuletzt mit 38,5 Wochenstunden. In dem zuletzt aktuellen Änderungsvertrag vom 19.12.2005 wurde die Vollzeitbeschäftigung „zweckbefristet” verlängert. Als Grund wurde in dem Vertrag angegeben:
„Volleinsatz in der Briefzustellung
längstens jedoch bis zur nächsten IBIS-Bemessung
jedoch längstens bis 31.12.2006„.
Auf Erscheinungsbild und Inhalt des Änderungsvertrages vom 19.12.2005 wird Bezug genommen (Bl. 15/15R d. A.).
Bei dem Verfahren IBIS handelt es sich um ein in regelmäßigen Abständen wiederholtes Verfahren zur Neubemessung des Personalbedarfs. Dabei verfolgen die Neubemessungen den Zweck, eine Veränderung des Personalbedarfs innerhalb eines Zustellstützpunktes oder einer größeren Organisationseinheit festzustellen. Sowohl in Zustellstützpunkten als auch in größeren Organisationseinheiten sind immer mehrere Zusteller tätig. Bei einer Veränderung der für die Zustelltätigkeit maßgeblichen Verhältnisse wie z. B. bei einer Erhöhung der Anzahl der zu versorgenden Haushalte oder auch durch den Rückgang der insgesamt zuzustellenden Sendungen soll durch die Neubemessung der veränderte Personalbedarf ermittelt werden.
Für die Zeit nach dem 31.12.2006 bot die Beklagte der Klägerin keine weitere Vertragsaufstockung ihres unbefristeten 31-Stunden-Teilzeitarbeitsverhältnisses in eine Vollzeittätigkeit an. Faktisch wurde die Klägerin jedoch über den 31.12.2006 hinaus unverändert weiterhin mit 38,5 Stunden vollzeitbeschäftigt. Dies galt auch noch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht. Abrechnungstechnisch wird die Differenz zwischen der arbeitsvertraglich unbefristet vereinbarten Wochenarbeitszeit von 31 Stunden und der wöchentlichen Vollzeitbeschäftigung nunmehr als Mehrarbeit deklariert.
Mit der vorliegenden, am 22.01.2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die Befristung der Arbeitszeiterhöhung auf eine Vollzeitbeschäftigung. Sie, die Klägerin, habe gegenüber der Beklagten wiederholt ihren Wunsch auf unbefristete Vollzeitbeschäftigung ausdrücklich erklärt und werde ja auch de facto seit Jan...