Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung eines Sozialplans. Kein Anspruch auf Altersteilzeitvertrag nach betriebsbedingter Kündigung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Auslegung eines Sozialplans im Hinblick auf einen Anspruch auf Abschluss eines incentivierten Altersteilzeitvertrags

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Auslegung einer Betriebsvereinbarung - und damit ebenso die eines Sozialplans als Betriebsvereinbarung eigener Art - richtet sich wegen ihrer normativen Wirkung nach den Grundsätzen der Tarifvertrags- und Gesetzesauslegung. Ausgehend vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn kommt es auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Bestimmung an. Darüber hinaus sind Sinn und Zweck der Regelung von besonderer Bedeutung.

2. Das Ziel, betriebsbedingte Kündigungen durch Personalmaßnahmen und ein anschließendes Clearingverfahren zu vermeiden, kann jedenfalls ab dem Zeitpunkt des Ausspruchs der betriebsbedingten Kündigung nicht mehr erreicht werden. Danach ergibt die Auslegung des Sozialplans, dass ab diesem Zeitpunkt kein Anspruch auf den nach der Systematik des Sozialplans vorgelagerten Abschluss eines Altersteilzeitvertrags mehr besteht.

 

Normenkette

BetrVG § 77 Abs. 4 S. 1, § 112 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 25.08.2021; Aktenzeichen 2 Ca 3086/21)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 25.08.2021 - 2 Ca 3086/21 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Abschluss eines incentivierten Altersteilzeitvertrages.

Die Beklagte ist die Konzernobergesellschaft der L . Sie betreibt ein Luftfahrtunternehmen mit Drehkreuzen in F und M (sog. "Hubs"). Daneben bestanden ursprünglich acht dezentrale Stationen in B , Br , D , H , Ha , K , N und S .

Die am 1964 geborene Klägerin ist seit dem 01.07.1989 bei der Beklagten beschäftigt und war bis zum 31.05.2021 an der dezentralen Station S als Professional Service 1 in Teilzeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 18,75 Stunden beschäftigt. Ihre monatliche Vergütung betrug zuletzt 1.919,40 Euro brutto.

Die Klägerin ist gemäß § 41 Abs. 3 des auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Manteltarifvertrags D B ordentlich unkündbar. Bei der Beklagten findet unter anderem der Tarifvertrag Altersteilzeitarbeit für das Bodenpersonal, gültig ab dem 01.12.2020 Anwendung. Gemäß § 3 des Tarifvertrags Altersteilzeit kann mit allen Mitarbeitern, die das 55. Lebensjahr vollendet haben und die bestimmte weitere Voraussetzungen erfüllen, Altersteilzeitarbeit vereinbart werden; ein allgemeiner Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrages besteht nicht.

Im Jahr 2005 fasste die Beklagte den Beschluss, alle acht dezentralen Stationen zum 31.05.2021 zu schließen. Im Hinblick auf die Schließung schlossen die Beklagte und der örtliche Betriebsrat der Station S am 26.10.2015 einen Interessenausgleich sowie einen Sozialplan. In dem Sozialplan heißt es u.a.:

"Präambel

Zum Ausgleich bzw. zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Mitarbeitern durch die im Interessenausgleich vom 26.10.2015 geregelte Betriebsänderung entstehen, wird folgender Sozialplan zwischen den Betriebspartnern vereinbart:

1. Geltungsbereich

Der Sozialplan betrifft alle Mitarbeiter der D im Sinne des § 5 Abs.1 BetrVG, die zum Zeitpunkt des Abschlusses dem Stationsbereich S S mit allen entsprechenden Teilbereichen (inklusive S Y ) zugeordnet sind oder bis zum Schließungszeitpunkt in die vorstehend benannten Bereiche zurückkehren, einschließlich der Mitarbeiter in ruhenden Arbeitsverhältnissen. Ausdrücklich nicht betroffen sind Mitarbeiter, die dem Vertrieb oder den Zentralfunktionen der D zugeordnet sind. (...)

Der Sozialplan gilt für alle Maßnahmen, die sich aus der im Interessenausgleich vom 26.10.2015 geregelten Betriebsänderung ergeben.

(...)

3. Sozialverträgliche HR-Maßnahmen zur Unterstützung der Fluktuation:

Die Betriebspartner sind sich einig, dass dieser Sozialplan das Ziel hat, betriebsbedingte Beendigungskündigungen zu vermeiden und den notwendigen Personalabbau möglichst sozialverträglich zu gestalten.

a) HR-Maßnahmen

Der sozialverträgliche Personalabbau soll durch folgende HR-Maßnahmen sichergestellt werden:

- Rentenferne Aufhebungsverträge

- Rentennahe Aufhebungsverträge

- Altersteilzeitverträge

- COMPASS

- HUB-Wechsel

- Boden-Bord-Wechsel

- Qualifizierungsmaßnahmen

(...)

(3) Altersteilzeitverträge

Im Geltungsbereich und für die Dauer des jeweils gültigen Tarifvertrages über Altersteilzeitarbeit der D kann der Abschluss eines ATZ-Vertrages (ausschließlich im Blockmodell) mit mindestens zwei und maximal sechs Jahren Laufzeit auf frühestmöglichen Rentenzugang durch das befristete Angebot einer damit einhergehenden Abfindung beansprucht werden.

Die Abfindung berechnet sich wie folgt: 5.500,00 € plus 3 Bruttomonatsvergütungen plus 1.000,- € pro vollendetes Beschäftigungsjahr. Der Anspruch auf Abfindung gilt nur für Vertragsabschlüsse bis 30.06.2016.

Mitarbeiter, di...

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