rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialplan. Abfindung. überholende Kausalität. Erwerbsunfähigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Sozialplan, der eine Abfindung vorsieht für Arbeitnehmer, die infolge oder aus Anlaß einer Betriebsänderung ihren Arbeitsplatz verlieren, legt damit als Anspruchsvoraussetzung eine Kausalität fest zwischen der geplanten Betriebsänderung und dem Arbeitsplatzverlust.
2. An dieser Kausalität fehlt es, wenn zwar zunächst eine betriebsänderungsbedingte Kündigung ausgesprochen wird, diese aber deshalb nicht zum Tragen kommt, weil dem Arbeitnehmer noch während der laufenden Kündigungsfrist ein von ihm beantragter Rentenbescheid zugeht, der eine Erwerbsunfähigkeitsrente bewilligt und eine einschlägige kollektivrechtliche Regelung für diesen Fall das automatische Ende des Arbeitsverhältnisses ohne Ausspruch einer Kündigung vorsieht.
3. Sieht eine Betriebsvereinbarung das Ende des Arbeitsverhältnisses „mit der Zuerkennung” einer Rente vor, ist damit i. Zw. das Datum gemeint, an dem dem Arbeitnehmer der Rentenbescheid zugeht.)
Normenkette
BetrVG §§ 112, 75 Abs. 1 S. 1; BGB § 158 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Urteil vom 08.09.1994; Aktenzeichen 2d Ca 365/94) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 08.09.1994 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Aachen – 2 d Ca 365/94 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Streitwert: unverändert.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Abfindung aus einem Sozialplan.
Die beklagte GmbH betreibt in Düren ein Glashüttenwerk. Sie schränkt dort ihren Personalbestand erheblich ein. Aus diesem Anlaß vereinbarte sie mit ihrem Betriebsrat unter dem 26.06.1993 einen Interessenausgleich und in dessen Ergänzung unter dem gleichen Datum einen Sozialplan (Bl. 20 ff. d.A.), der in seiner Ziffer 2.1 bestimmt:
„Alle Arbeitnehmer, die infolge oder aus Anlaß der im Interessenausgleich zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber festgelegten Betriebsänderung ihren Arbeitsplatz verlieren, erhalten eine Abfindung entsprechend den nachfolgenden Regelungen: …”
Weiter heißt es unter Zf. 3, unter dem Titel „Deckelung der Abfindung und Rentennachteilsausgleich”:
„Die Abfindung nach dieser Betriebsvereinbarung wird gezahlt, um die wirtschaftlichen Nachteile der betroffenen Arbeitnehmer auszugleichen. Deshalb vereinbaren Geschäftsleitung und Betriebsrat eine sog. Deckelung der Abfindung. – Sie tritt dann ein, wenn ein von der Betriebsänderung betroffener Arbeitnehmer eine höhere Abfindung erhalten würde, als er wirtschaftliche Nachteile hätte. – Bei der Berechnung der wirtschaftlichen Nachteile sind folgende Punkte zu berücksichtigen: Errechnung des durchschnittlichen Netto-Arbeitsentgelts: … = Nettolohn minus Arbeitslosengeld minus evtl. Arbeitslosenhilfe = verbleibender Differenzbetrag – Die Höhe der nach diesem Sozialplan zu leistenden Abfindung ist begrenzt durch den vorberechneten verbleibenden Differenzbetrag, den der betroffene Arbeitnehmer als Schaden erleidet, und zwar zeitlich begrenzt vom Ausscheidungszeitpunkt bis zum individuell frühestmöglichen, gesetzlich zulässigen Rentenbeginn …”
Nach Zf. 6.1 erfolgt die Auszahlung „zum Zeitpunkt des rechtskräftigen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis” – jedoch unbeschadet der Regelung in Zf. 4.1: Dort wird die Auszahlung der Abfindung in drei Teilbeträgen am 25.03.1994, 25.08.1994 und 25.02.1995 vorgesehen – „unabhängig vom Zeitpunkt des Ausscheidens”. Zf. 6.2 sieht bei Rechtsstreitigkeiten einen Aufschub der Fälligkeit vor.
Der am 04.11.1939 geborene Kläger war bei der Beklagten ab Oktober 1954 zuletzt als Hüttenmeister beschäftigt. Er ist schwerbehindert und war seit dem 17.02.1993 arbeitsunfähig – mindestens bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses. Noch im Februar 1993 unterzog sich der Kläger einer Operation, an die sich eine Rehabilitationsmaßnahme anschloß. Diese wurde am 06.05.1993 wegen mangelnder Erfolgsaussicht abgebrochen.
Unter dem 05.07.1993 (nach Abschluß des Sozialplans) beantragte die Beklagte bei der Hauptfürsorgestelle die Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung des Klägers. Der im Rahmen des Zustimmungsverfahrens gehörte Hausarzt des Klägers attestierte unter dem 12.08.1993, der Kläger könne als Hüttenmeister aus behinderungs- und gesundheitsbedingten Gründen nicht mehr arbeiten. Unter dem 27.09.1993 erteilte die Hauptfürsorgestelle die beantragte Zustimmung. Daraufhin hörte die Beklagte unter dem 14.10.1993 ihren Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung an, der unter dem gleichen Datum Stellung nahm: Er sehe „z.Z. keine Möglichkeit, der beantragten Maßnahme zu widersprechen.” Infolgedessen kündigte die Beklagte unter dem 15.10.1993 (Bl. 42 d.A.), wogegen der Kläger Kündigungsschutzklage erhob (Arbeitsgericht Aachen – 6d Ca 1166/93). Im Verlaufe des Kündigungsschutzverfahrens beantragte der Kläger unter dem 08.12.1993 bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte eine Invalidenrente, die ihm unter dem 15.02.1994 in Form einer Erwerbsunfähigkeitsrente bewilligt wurde (Bl. 19 d.A.) – und zwar rückwirkend ab 07.05.1993...