Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs eines Arbeitnehmers wegen "Mobbing"
Leitsatz (redaktionell)
1. "Mobbing" selbst ist keine Anspruchsgrundlage, sondern der Arbeitnehmer, der geltend macht, der Arbeitgeber habe ihn widerrechtlich in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt, kann unmittelbar aus § 823 Abs. 1 BGB i.V. mit Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG eine billige Entschädigung in Geld fordern. Dies setzt jedoch einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht voraus und verlangt weiter, dass die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann.
2. Nicht jede Auseinandersetzung, Meinungsverschiedenheit oder nicht gerechtfertigte Maßnahme des Arbeitgebers stellt bereits eine rechtswidrige und vorwerfbare Verletzung der Rechtsgüter des Arbeitnehmers und damit eine unerlaubte Handlung dar. Vielmehr kommt es bei der Zusammenarbeit im Rahmen von Arbeitsverhältnissen typischerweise zu Konflikten und Meinungsverschiedenheiten, ohne dass die dabei zu Tage tretenden Verhaltensweisen des Arbeitgebers oder der Vorgesetzten bzw. Kollegen des Arbeitnehmers zwangsläufig zu einer widerrechtlichen Beeinträchtigung der Rechtsgüter des Arbeitnehmers führen. Die Grenze zum nicht rechts- bzw. sozial adäquaten Verhalten ist erst dann überschritten, wenn Verhaltensweisen bezwecken oder bewirken, dass die Würde des Arbeitnehmers verletzt und ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
3. Die Besprechung von Vorwürfen Dritter mit dem von den Vorwürfen betroffenen Mitarbeiter stellt bei objektiver Betrachtung ein sozial- und rechtsadäquates Verhalten eines Vorgesetzten dar, auch wenn das Gespräch nicht in angenehmem Tonfall geführt wird.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1, § 280 Abs. 1; AGG § 15 Abs. 1-2
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Entscheidung vom 15.05.2013; Aktenzeichen 5 Ca 317/13) |
Tenor
- Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 15.05.2013 - 5 Ca 317/13 - wird zurückgewiesen.
- Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens und des Revisionsverfahrens.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten noch darüber, ob die Beklagte der Klägerin wegen Belästigung im Sinne des AGG und wegen "Mobbings" zum Ersatz immaterieller und materieller Schäden verpflichtet ist.
Die 1954 geborene Klägerin ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern seit dem 17.04.2000 in der Senioreneinrichtung "J " in K als Mitarbeiterin in der Verwaltung in Teilzeit zu einem Bruttojahresgehalt von 27.500,00 EUR beschäftigt. Sie ist mit einem Grad der Behinderung von 100 als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Ihr Schwerbehindertenausweis enthält die Merkzeichen "aG, B"; die Behinderung beruht auf rheumatischer Arthritis, Fibromyalgie und schwerer Mittelohrschwerhörigkeit.
Gemäß § 2 des Dienstvertrags vom 03.04.2000 (Blatt 59 und 60 der Akte) finden auf das Arbeitsverhältnis die "Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR) in der jeweils gültigen Fassung" Anwendung. In § 45 AVR sind Ausschlussfristen geregelt.
Mit Datum vom 06.11.2006 und vom 20.04.2010 erteilte die Beklagte der Klägerin Zwischenzeugnisse mit guten bis sehr guten Leistungsbeurteilungen. Im Zwischenzeugnis vom 20.04.2010 heißt es auszugsweise wie folgt:
Frau (...) ist seit dem 17.04.2000 als Mitarbeiterin der Verwaltung für die Bewohnersachbearbeitung (...) tätig.
(...)
Das Aufgabengebiet von Frau umfasst insbesondere folgende Aufgaben und Tätigkeiten:
- Beratung der Kunden bzgl. der Finanzierung und der Formalitäten
- Antragstellung zur Heimaufnahme, Vergleichsberechnung, Schriftwechsel mit Pflegekassen, Sozialämtern und sonstigen Behörden
- Anlegen der Bewohnerakten sowie die EDV-Erfassung der Bewohnerdaten
- Prüfung der Sozialhilfe- und Pflegewohngeldbescheide der Bewohner
- Beratung und Korrespondenz bzgl. der Betreuungsanträge
- Aktualisierung der Daten
- Erstellung von Statistiken für Landschaftsverband, Heimaufsicht und die Einrichtungsleitung
- Ablage und Archivierung der Bewohnerakten
- Kundensachbearbeitung einschließlich EDV - Erfassung
- Führung der Bewohnerkasse
- Sekretariatsaufgaben in Vertretung
- Führung der Hauptkasse
- Verwaltung der Portokasse
- Öffnen und Verteilung der Post
- Personalsachbearbeitung (Zusammenstellung der Unterlagen für die Personalabteilung)
- Diverse Schreibarbeiten
- Bestellungen wie z. B. Büromaterial und Verteilung
Frau zeigt sowohl im Kontakt mit den Bewohnern als auch mit den Angehörigen ein adäquates Verhältnis aus Nähe und Distanz (...). Ihr Verhalten zu Kollegen und Vorgesetzten ist stets einwandfrei.
Sie verfügt über umfassende Fachkenntnisse (...).
(...)
Die ihr übertragenen Aufgaben erledigt sie mit großem Engagement und persönlichem Einsatz. Trotz eines mitunter großen Arbeitsanfalls zeigte sie sich den unterschiedlichen Situationen stets gewachsen und arbeitet gut geplant, zügig und lösu...