Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterschlagung. Schadensschätzung. Aussetzung. Verjährung. Verspätung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO ist für den Haftungsgrund, also das anspruchsbegründende Ereignis selbst, nicht möglich.
2. Werden Einwände einer Partei gegen einen Schadensersatzanspruch, die auf eigenen Parteihandlungen in der Vergangenheit beruhen, erstmals außerhalb der Berufungsbegründungsfrist vorgebracht, so kann die Partei einen verspäteten Sachvortrag nicht mit einer erst kürzlich erfolgten Einsichtnahme in eine Ermittlungsakte entschuldigen.
Normenkette
BGB §§ 280-281, 823 Abs. 2; ZPO §§ 138, 149, 286-287; ArbGG § 67 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Urteil vom 30.09.2005; Aktenzeichen 9 Ca 405/05) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 30.09.2005 – 9 Ca 405/05 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Nach zwischenzeitlicher Erledigung der Kündigungsschutzklage durch rechtskräftiges erstinstanzliches klageabweisendes Teilurteil vom 08.07.2005 streiten die Parteien noch um Schadensersatzforderungen der Beklagten, die diese widerklagend geltend macht.
Die Beklagte betreibt ein Pharmaunternehmen. Die am 21.06.1945 geborene Klägerin war seit 1986 bei der Beklagten als Buchhalterin beschäftigt, wobei arbeitsvertraglich die Anrechnung der Beschäftigungszeit der Klägerin seit 1960 bei der Firma G vereinbart ist.
Arbeitsvertragliche Aufgabe der Klägerin war unter anderem die Führung der Barkasse sowie des dazu gehörenden Kassenbuches. In den vergangenen Jahren unterschlug die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Buchhalterin der Beklagten regelmäßig erhebliche Geldbeträge, um diese für sich zu verwenden. Sie ging dabei dergestalt vor, dass sie sich in erheblichem Umfang Barschecks, die angeblich zur Auffüllung der Barkasse dienen sollten, abwechselnd von den sechs zeichnungsberechtigten Personen der Beklagten gegenzeichnen ließ, diese Schecks einlöste und das hierdurch erhaltene Bargeld größtenteils für sich verwandte. Zur Verschleierung buchte sie den erlösten Betrag jeweils einem der Scheckausgangskonten der Beklagten gegen. Die Höhe des auf diese Weise von der Klägerin über mehrere Jahre unterschlagenen Betrages ist zwischen den Parteien streitig.
Seit Sommer 2004 hatte der damalige Leiter des Bereichs Finanzen bei der Beklagten, Herr K-H E, die Beklagte mehrfach auf ihm aufgefallene Unregelmäßigkeiten bezüglich der Scheckausgangskonten angesprochen und um entsprechende Überprüfung gebeten. Am 29.12.2004 räumte die Klägerin gegenüber Herrn E ein, in den vergangenen Jahren Unterschlagungen zu Lasten der Barkasse vorgenommen zu haben. Herr E informierte daraufhin die Geschäftsführung der Beklagten und am 30.12.2004 fand ein Personalgespräch mit der Klägerin statt, in welchem diese erneut einräumte, in den vergangenen Jahren erhebliche Unterschlagungen begangen zu haben. Letzteres bestätigte die Klägerin nochmals dem Grunde nach gegenüber der Haftrichterin.
Unter dem 17.01.2005 legten die von der Beklagten Anfang Januar 2005 beauftragten Wirtschaftsprüfer ihren Bericht vor, in dem sie einen Gesamtbetrag der von der Klägerin in den Jahren 1991 bis 2004 unterschlagenen Einzelbeträge in Höhe von insgesamt 2.398.503,37 EUR auswiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht der Wirtschaftsprüfer (Bl. 29 ff. d. A.) Bezug genommen. Durch die Beauftragung der Wirtschaftsprüfer entstanden der Beklagten Aufwendungen in Höhe von 45.860,00 EUR.
Bereits zuvor hatte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin am 07.01.2005 nach vorheriger Beteiligung des Betriebsrats außerordentlich gekündigt. Gegen die Wirksamkeit der Kündigung erhob die Klägerin am 27.01.2005 Kündigungsschutzklage, die die Beklagte mit Schriftsatz vom 07.02.2005 um die schadensersatzbegehrende Widerklage erweiterte. Mit Teilurteil vom 08.07.2005 hat das Arbeitsgericht die Klage rechtskräftig abgewiesen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf das Teilurteil (Bl. 170 ff. d. A.) Bezug genommen.
Hinsichtlich der danach allein noch anhängigen Widerklage hat die Beklagte behauptet, die Klägerin habe in den Jahren 1991 bis 2004 insgesamt 2.444.008,35 EUR unterschlagen. Wegen einer Schadenssumme 2.398.503,37 EUR beruft sie sich zur näheren Substanziierung ihres Vortrags auf das Gutachten der Wirtschaftsprüfer, das Feststellungen für das Jahr 1991 sowie die Jahre 1993 bis 2004 enthält. Sie hat weiter behauptet, im Jahr 1992, für das die Wirtschaftsprüfer keine Feststellungen getroffen hatten, habe die Klägerin weitere 89.000,00 DM (= 45.504,98 EUR) unterschlagen. Im Übrigen hat die Beklagte Ersatz der unstreitig aufgewendeten Schadenermittlungskosten für das Gutachten der Wirtschaftsprüfer in Höhe von 45.860,00 EUR begehrt und schließlich Zinsen in Höhe des jeweiligen gesetzlichen Zinssatzes ab dem jeweiligen Unterschlagungszeitpunkt geltend gemacht.
Die Beklagte hat zuletzt widerklagend beantragt,
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